Schallenberg in Südkorea: „Atomtest steht im Raum“
Im Windschatten des Ukraine-Krieges schaukelt sich ein Konflikt mit gefährlichster Dimension hoch: „Was wir jetzt sehen, haben wir in dieser Intensität seit Jahren nicht mehr erlebt“, schilderte Südkoreas Außenminister Park Jin seinem österreichischen Amtskollegen Alexander Schallenberg am Sonntag in Seoul.
Nur 60 Kilometer liegt Südkoreas Hauptstadt, ein Ballungsraum von zwölf Millionen Menschen, von der Grenze zum feindlichen Nordkorea entfernt. Dort, jenseits des nördlichen Grenzstreifens, wurden in den vergangenen Wochen zwei Langstrecken-Marschflugkörper getestet, wurde eine Mittelstreckenrakete über Japan gefeuert und wurden an die 500 Artilleriegeschosse in die Pufferzone zwischen beiden Ländern im Meer geschossen.
Diese extrem hohe Frequenz an Provokationen, begleitet von schrillen Tönen der Aggression, könnte eine Vorstufe sein, bekam Schallenberg während seines Aufenthalts in Südkorea zu hören: „Ein Atomtest Nordkoreas steht im Raum“, befürchtet auch Schallenberg.
Erstschlag
Die USA warnen bereits seit Wochen. In Südkorea geht man mit großer Wahrscheinlichkeit davon aus, dass Nordkoreas Diktator Kim Jong-un den Test noch vor den amerikanischen Midterm-Wahlen Anfang November durchziehen will. Für seine nukleare Aufrüstung hat Nordkorea sogar die Gesetze geändert: Nicht nur zur Abschreckung sollen die Atomwaffen des Landes dienen, sie sollen im Falle einer Bedrohung sogar als Erstschlagwaffe eingesetzt werden können. „Wir dürfen so etwas nicht zulassen. Atomwaffen dürfen niemals mehr zum Einsatz kommen“, warnt Schallenberg.
Doch die Möglichkeiten, Nordkorea abzuhalten, sind gering. Sechs Mal hat die Diktatur bereits Atomtests durchgeführt – seither wird das Land mit allen nur denkbaren Sanktionen belegt. Doch Nordkorea, laut Schallenberg „nichts anderes als ein überdimensioniertes Freiluftgefängnis“, rüstet weiter auf.
Taktische Atomwaffen
Was dieses Mal noch gefährlicher ist als bisher: Experten befürchten, dass Nordkorea taktische Atomwaffen testen könnte. Solche Waffen werden auch „small nukes“ genannt – Waffen, deren Sprengkraft erheblich geringer ist als bei strategischen Atombomben, die riesige Gebiete über lange Zeit hinaus verwüsten.
Gerade deshalb aber steigt bei diesen kleineren Atomwaffen die Gefahr, dass sie der unberechenbare nordkoreanische Diktator tatsächlich gegen Südkorea oder gegen US-Truppen in der asiatisch-pazifischen Region einsetzen könnte. Um größere Mengen solcher Waffen produzieren zu können, brauchte Kim Jong-un wohl einen Atomtest.
Nordkorea ist das einzige Land der Welt, das im 21. Jahrhundert Atomtests unternommen hat. Nuklearmächte wie die USA simulieren ihre Tests auf Supercomputern.