Politik/Ausland

Rocker statt Rock ’n’ Roller: Trumps heikle Feier

Chris Cox hat vor lauter Stolz ganz auf seine Coolness vergessen. "Ihr werdet es mir nicht glauben, aber der designierte Präsident hat mich gerade angerufen", teilt der Motorrad-Rocker per Twitter mit. Trump habe sich bei ihm persönlich für sein Engagement rund um die Angelobung bedankt.

Und dieses Engagement kann sich tatsächlich sehen lassen. Aus dem ganzen Land rollen seit Tagen die "Bikers for Trump" in Richtung Washington DC. Mindestens 5000 von ihnen, schätzt Chef Cox, werden sich morgen in einem Park im Zentrum von Washington versammeln. Nur ein paar Hundert Meter vom Triumphzug ihres Stars, Donald Trump, in Richtung Weißes Haus entfernt, lassen die Rocker den neuen Präsidenten am Freitag bei Bier und Musik hochleben.

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Es ist nur eine von insgesamt 70 Kundgebungen, die für den Tag der Angelobung in Washington DC angemeldet sind, doch es ist die mit Abstand größte für den neuen Herren im Weißen Haus. Ansonsten wird fast ausschließlich gegen Trump protestiert – und das nicht nur am Freitag. Die größte Demonstration findet am Samstag statt. Gegen Trumps offen zur Schau gestellten Sexismus und seine berüchtigte Haltung gegenüber Frauen wollen 250.000 Menschen in der Hauptstadt auf die Straße gehen. Angeführt von Stars wie der Sängerin Cher oder der Hollywood-Größe Scarlett Johansson.

Ehrengäste gesucht

Namen wie diese sind unter den Gästen der Angelobungs-Feierlichkeiten kaum zu finden. Die US-Kunst- und Kulturszene hat Trump fast geschlossen boykottiert. Dessen Organisationskomitee war so verzweifelt um das Anwerben von Stargästen bemüht, dass man sich in öffentliche Peinlichkeiten hineinmanövrierte. So beharrte man solange darauf, dass Elton John kommen werde, bis der britische Popstar das vor der Presse zurückwies. Andere Popgrößen witzelten über die Anfragen des Trump-Teams. Erst wenn dieser seine Steuererklärung veröffentliche, werde man für ihn singen. Bruce Springsteen – immer ganz oben auf der Wunschliste jedes US-Präsidenten – spielte statt bei Trumps Angelobung provokant noch einmal bei Obamas Abschied im Weißen Haus.

Facebook-Einladung

Wenn Trump also heute, Freitag, etwa um 12 Uhr seine Hand auf die Bibel Abraham Lincolns legt, wird die 16-jährige Jackie Evancho aus der TV-Talenteshow "America’s got talent" die Hymne anstimmen. Eine prominentere Stimme war nicht zu bekommen. Hässliche Lücken gibt es auch unter den Politikern auf der Ehrentribüne. 60 Kongressabgeordnete der Demokraten boykottieren die Feierlichkeiten. Hauptgrund ist der untergriffige Twitter-Streit, den Trump vor wenigen Tagen mit dem demokratischen Kongressabgeordneten und prominenten schwarzen Bürgerrechtler John Lewis angefangen hat.

Politisch heikle Gäste hat Trump dagegen ganz bewusst eingeladen. Während FPÖ-Chef H.C.Strache offensichtlich nur abseits der Angelobung in diesen Tagen politische Termine in Washington absolviert (siehe Bericht rechts), nimmt eine Gruppe radikaler jüdischer Siedler aus den Palästinensergebieten unter den Ehrengästen Platz. Ein weiteres düsteres Vorzeichen für Trumps vorhersehbar einseitig pro-israelische Nahost-Politik. Auch eine Delegation aus Taiwan wird erwartet, eine offene Provokation für China, das die Unabhängigkeit der Insel nicht anerkennt.

Auch für ganz normale Zuschauer gab es bis zuletzt noch peinlich viel Platz. So viel, dass Trumps Organisationsteam nicht nur vermeintliche Fans wieder und wieder per eMail ("letzte Karten – in limitierter Sonderausgabe") einlud, sondern auch über Facebook zur Teilnahme aufrief. Mit etwa 900.000 Zuschauern bei der Angelobung und am Rande der Route zum Weißen Haus wurde gerechnet, Barack Obama hatte bei seiner Angelobung mehr als doppelt so viel.

Trump tanzt nur kurz

Auch das traditionelle Abendprogramm nach der Angelobung fällt diesmal bescheiden aus. Auf zehn Bällen wurden Obama und seine Frau Michelle an diesem Tag vor acht Jahren erwartet. Für Trump und seine Melania gibt es gerade drei zu absolvieren. Es werde wohl heißer auf der Straße als in den Ballsälen zugehen, wurde in den sozialen Medien gewitzelt. Er habe ohnehin am nächsten Tag viel zu tun, kommentierte der Wahlsieger die laue Washingtoner Ballnacht.

(Von Konrad Kramar)

Zwischen Abwarten und Beruhigungstee trinken, Ärger sowie furchtvollem Entsetzen pendeln die Reaktionen auf die bisherigen Ansagen des neuen US-Präsidenten Donald Trump über die künftigen Beziehungen zur Staatengemeinschaft. Diese will er laut eigenem Bekunden auf eine neue Basis wuchten. Einige Punkte hat er angerissen.
NATO Das nordatlantische Verteidigungsbündnis hat er in einem Interview für „obsolet“ erklärt und damit die Nachkriegsordnung infrage gestellt. Damit hat er in den baltischen Staaten, denen der eisige Wind aus Putins Russland entgegenweht, massive Besorgnis ausgelöst.
EU Die Union – mit den USA und China der wichtigste Markt weltweit – hat er offenbar abgeschrieben. Nach dem geplanten Austritt Großbritanniens, den der neue Herr im Weißen Haus „großartig“ findet, würden weitere Länder folgen. „Herr Trump“ solle aufhören, andere Mitglieder indirekt dazu aufzufordern, der Union den Rücken zu kehren, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verärgert, „wir fordern Ohio ja auch nicht auf, aus den USA auszutreten“.
China Das Reich der Mitte bekam gleich mehrere Breitseiten ab. Die USA würden dafür sorgen, dass die Aktivitäten Pekings im Südchinesischen Meer aufhören, ließ die künftige Administration wissen. Zugleich deutete der US-Staatschef an, dass die „Ein-China-Politik“ nicht in Stein gemeißelt sei. Damit signalisierte er eine Annäherung an Taiwan, das China als Teil seines Territoriums ansieht. Und schließlich stellte Trump in den Raum, Strafzölle für chinesische Waren einheben zu wollen. Auch Autokonzernen, die die USA als Produktionsstandort umgehen, hat er damit gedroht. Dies würde wohl einen Handelskrieg auslösen.
Russland Präsident Wladimir Putin scheint der Gewinner von Trumps bizarrer Neuvermessung der Welt zu sein. Tage vor seiner Angelobung ließ er den Kremlchef – einem guten Freund des künftigen US-Außenministers Rex Tillerson – wissen, dass die Sanktionen aufgehoben werden könnten. Bedingung: Die engagierte Teilnahme Moskaus am Anti-Terror-Kampf.
Iran Der Milliardär hat wiederholt den Atomdeal seines Vorgängers Obama mit Teheran kritisiert. Ob er den Pakt, der sicherstellen soll, dass der Iran keine Atomwaffen herstellen kann, kippt, ist offen.

Israel Der Präsident verfolgt eine explizit Israel-freundliche Politik, sodass eine Zweistaaten-Lösung im Konflikt mit Palästina in weite Ferne rückt.
Mexiko Zum Plan von Trumps schöner neuen Welt gehört auch der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, um den Strom illegaler Migranten einzudämmen. Zahlen soll dafür der südliche Nachbar. Dort ist man fassungslos.

(Von Walter Friedl)

Donald Trump ist wie jeder US-Staatschef Präsident und Regierungschef zugleich – für maximal 8 Jahre. Er hat die Führungsrolle in der Außenpolitik und ist Oberkommandant der Armee. Als solcher kann er ohne Zustimmung des Kongresses einen bis zu 90 Tage dauernden Kampfeinsatz befehlen. Er hat das Recht, Beschlüsse des Kongresses mit einem Veto zu belegen. Gegen das Veto des Präsidenten gilt nur eine Zweidrittelmehrheit des Kongresses. Er ernennt Bundesrichter und Verfassungsrichter – auf Lebenszeit.