Politik/Ausland

Regierungskrise in Italien: Draghi fordert Neuaufstellung der Koalition

"Sind die Parteien zum Neustart des Regierungspakts bereit? Das ist die Antwort, die Sie allen Italienern geben müssen", sagte Mario Draghi in seiner Ansprache. Der Premier stellt sich am Mittwoch einem Vertrauensvotum im Senat, dessen Ergebnis am Abend erwartet wird.

"Der einzige Weg - wenn wir noch zusammenbleiben wollen - ist, diesen Vertrauenspakt unter den politischen Kräften der Regierungsmehrheit wieder aufzubauen, mit Mut und Glaubwürdigkeit", sagte Draghi, der im Senat um das Vertrauen der Parlamentarier warb.

In seiner Ansprache listete Draghi die Resultate seiner seit Februar 2021 amtierenden Regierung auf, die bisher dank einer sehr breiten Mehrheit gut gearbeitet habe. In den letzten Wochen sei der Zusammenhalt in der Koalition jedoch ins Wanken geraten, stellte der Ministerpräsident fest.

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Generaldebatte folgt

Der Beschluss der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung, vergangene Woche nicht an einer Vertrauensabstimmung teilzunehmen, bedeute das Ende des Paktes, der die Koalition bisher zusammengehalten habe. "Das kann man nicht ignorieren", warnte Draghi. Seine Regierung erhielt zwar auch ohne die Sterne-Stimmen die nötige Mehrheit, aber laut Draghi war der "Pakt des Vertrauens" gebrochen. Er hatte danach seinen Rücktritt angeboten, Staatschef Sergio Mattarella lehnte diesen jedoch ab und schickte ihn ins Parlament, um sich dort zu rechtfertigen.

Der Premierminister hob vor dem Senat die Mobilisierung seitens Bürgermeistern, Wirtschaftsexperten und Bürgern für den Amtsverbleib der Regierung hervor. "Diese Mobilisierung ist präzedenzlos", meinte Draghi. Italien sei stark, wenn es geschlossen sei. Den bisherigen Zusammenhalt der Mehrparteienkoalition, die ihn bisher unterstützt habe, bezeichnete er als "Wunder", auf das er stolz sei. Draghi meinte, die Bedingungen für den Erhalt der bisherigen Koalition seien vorhanden, wenn die Parteien Einigkeit demonstrierten.

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Draghis Ansprache folgt jetzt eine mehrstündige Generaldebatte im Senat. Im Anschluss findet das erwartete Vertrauensvotum statt. Mit einem Ergebnis ist erst am Mittwochabend zu rechnen. Am Donnerstag stellt sich Draghi der Vertrauensabstimmung in der Abgeordnetenkammer.

Unklar ist weiter, ob Draghi als Regierungschef überhaupt weitermachen will. Hält der 74-Jährige an seinem Rücktritt fest, könnte Staatschef Sergio Mattarella in der Folge die Parlamentskammern auflösen und damit eine vorgezogene Wahl einleiten. Möglich wäre aber auch, dass der frühere Chef der Europäischen Zentralbank mit dem ausgesprochenen Vertrauen weiter regiert. Entscheidend wird, was Draghi in seiner Rede sagt. Nach dem Senat muss er auch noch in die größere Abgeordnetenkammer, was aber erst für Donnerstag erwartet wird.

Offene Unterstützung

Für eine Fortsetzung der Regierung des gebürtigen Römers sprachen sich zuletzt Politiker mehr als 1.000 Bürgermeister in einem offenen Brief aus sowie Unternehmervertreter und Verbände. Sollte eine vorgezogene Wahl anstehen, wäre Italien über Wochen politisch kaum handlungsfähig. Dabei stehen wichtige Reformen an, die das Land mit fast 60 Millionen Einwohnern umsetzen muss, um wichtige EU-Hilfsgelder aus Brüssel zu bekommen. Hinzu kommt die Haushaltsplanung, die in Italien traditionell zu viel Streit führt und mitunter erst kurz vor knapp verabschiedet wird.