Politik/Ausland

Österreich verhängt Reisewarnung für die Ukraine, AUA stoppt Flüge

Im eskalierenden Konflikt um die Ukraine hat das österreichische Außenministerium am Samstag eine Reisewarnung für das Land ausgesprochen. Die Zwischenfälle in der Ostukraine haben nach Mitteilung des Ministeriums in den vergangenen 24 Stunden massiv zugenommen. "Es muss mit einer erheblichen Verschlechterung der Lage gerechnet werden." 

Konkret gibt es eine Reisewarnung für alle österreichischen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen für die Ukraine aufgrund der unvorhersehbaren Sicherheitssituation. Auslandsösterreichern sowie Reisenden wird ebenfalls dringend geraten, das Gebiet zu meiden. Ausnahmen bestehen für die westlichen Gebiete Lemberg, Transkarpatien, Iwano-Frankiwsk und Czernowitz.

Aufgerufen die Ukraine zu verlassen 

Alle Österreicher sind aufgerufen, die Ukraine mit Ausnahme der westlichen Gebiete unverzüglich zu verlassen. Das österreichische Botschafterpersonal wurde hingegen verstärkt und wird weiterhin an Ort und Stelle sein, um Landsleuten gegebenenfalls bei der Ausreise zu unterstützen. Zudem solle das Personal Kontakt mit den ukrainischen Partnern halten, heißt es vom Außenministerium.

Die Botschaft in Kiew und das Außenministerium sollen weiter mit allen über die Auslandsservice-App des Außenministeriums registrierten Österreichern in Kontakt bleiben. Derzeit sind rund 180 österreichische Staatsbürger in der Ukraine registriert.

AUA setzt Flüge nach Kiew und Odessa aus 

Austrian Airlines (AUA) setzt ab Montag ihre regulären Flüge nach Kiew und Odessa vorerst bis Ende Februar aus. Am morgigen Sonntag werden demnach noch einzelne Sonderflüge durchgeführt, um Passagieren eine Reisemöglichkeit aus Kiew und Odessa anzubieten. Flüge nach Lwiw (Lemberg) finden weiterhin statt, derzeit fliegt die AUA dreimal wöchentlich dorthin.

Die Sicherheit der Passagiere, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen habe zu jeder Zeit oberste Priorität, erklärte eine Unternehmenssprecherin. Die AUA verfolge die Lage weiterhin intensiv und stehe mit nationalen und internationalen Behörden in engem Austausch.

Auch Lufthansa setzt Flüge aus 

Die AUA-Mutter Lufthansa setzt laut dpa ebenfalls von kommenden Montag an die Flüge von und nach Kiew sowie in die ukrainische Schwarzmeerstadt Odessa aus. "Aufgrund der aktuellen Situation in der Ukraine werden die Airlines der Lufthansa Group ihre regulären Flüge nach Kiew (KBP) und Odessa (ODS) vorerst bis Ende Februar aussetzen", teilte das Unternehmen am Samstag auf Anfrage mit.

Separatisten rufen zu "Generalmobilmachung" auf

Die Angriffe sind in der Nacht auf Samstag nach Darstellung der Separatisten und der Regierungsarmee fortgesetzt worden. Die Separatisten riefen zudem zu einer "Generalmobilmachung" auf. Der Chef der Aufständischen im Gebiet Donezk, Denis Puschilin, schrieb im Nachrichtenkanal Telegram, er habe ein entsprechendes Dekret unterzeichnet. Auch im Gebiet Luhansk gab es einen derartigen Appell. Es soll zudem zum ersten Todesopfer gekommen sein.

Das ukrainische Militär meldete, ein Soldat sei beim Beschuss durch prorussische Separatisten am Samstagvormittag getötet worden. Insgesamt seien seit Tagesbeginn inzwischen 19 Waffenruhe-Verstöße durch die Rebellen verzeichnet worden, teilt das Militär auf Facebook weiter mit. In den 24 Stunden davor seien es 66 gewesen.

Im Norden der Rebellenhochburg Donezk war Samstagvormittag zudem mehrere Explosionen zu hören. Das berichtet eine Reuters-Mitarbeiterin. Worauf die Detonationen in der von prorussischen Separatisten kontrollierten ostukrainischen Stadt zurückzuführen sind, war zunächst nicht klar. 

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte zuvor von einer deutlichen Zunahme von Verstößen gegen den Waffenstillstand gesprochen. Der blutige Konflikt in dem Gebiet im Osten der Ukraine in Nachbarschaft zu Russland dauert seit dem Frühjahr 2014 an. Nach UNO-Schätzungen starben bisher mehr als 14.000 Menschen, die meisten davon auf dem von Separatisten kontrollierten Gebiet. Ein Friedensplan von 2015 unter deutsch-französischer Vermittlung wird nicht umgesetzt.

Berichte von Pipeline-Explosion

Im Separatistengebiet Luhansk meldeten die Behörden zwei Gasexplosionen in der Nacht auf Samstag. Ein Feuer an einer Gasleitung sei nach kurzer Zeit gelöscht worden, teilte das Unternehmen Luganskgas mit und veröffentlichte dazu mehrere Videos. Auch an der zweiten Stelle liefen die Löscharbeiten und die Suche nach der Ursache, hieß es. Dutzende Haushalte waren demnach von der Gasversorgung abgeschnitten.

Evakuierungen laufen weiter

Unterdessen liefen die Evakuierungen der Städte und Dörfer in den Regionen Luhansk und Donezk weiter. Nach Angaben der Donezker Separatisten von Samstag früh wurden bereits mehr als 6.000 Menschen in Sicherheit gebracht, darunter 2.400 Kinder. Tausende Menschen kamen bereits in der südrussischen Region Rostow an, wo Unterkünfte bereit standen. Die Separatistenführungen hatten zur Flucht aufgerufen und den Appell mit einem drohenden Angriff durch ukrainische Regierungstruppen begründet. Das ukrainische Militär hatte betont, keine Offensive gegen die Region zu planen.

Aus dem Gebiet Donezk sollten insgesamt 700.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden, wie die Behörden mitteilten. Der russische Präsident Wladimir Putin wies die Regierung in Moskau an, den Flüchtlingen zu helfen. Unter anderem sollten pro Person 10.000 Rubel (rund 116 Euro) ausgezahlt werden.

Nehammer: "Gravierende Anzeichen für weitere Eskalation"

"Schutz und Sicherheit unserer Landsleute im Ausland stehen an oberster Stelle", teilte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit. Die Sicherheitslage im Osten der Ukraine habe sich in den letzten Tagen massiv verschlechtert. "Wir sehen gravierende Anzeichen für eine weitere Eskalation, besonders die Generalmobilmachung in den Separatistengebieten im Osten der Ukraine", so Nehammer.

Auch das deutsche Auswärtige Amt verschärfte seine Reise- und Sicherheitshinweise für die Ukraine am Samstag erneut, wie Reuters berichtete. "Deutsche Staatsangehörige werden dringend aufgefordert, das Land jetzt zu verlassen", hieß es auf der Internetseite des Ministeriums. "Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine haben angesichts massiver Präsenz und Bewegungen russischer Militärverbände nahe der ukrainischen Grenzen weiter zugenommen. Eine militärische Auseinandersetzung ist jederzeit möglich."

Scholz: "In Europa droht wieder ein Krieg"

Auch Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht keine Entspannung im Ukraine-Konflikt. "In Europa droht wieder ein Krieg. Und das Risiko ist alles andere als gebannt", sagte Scholz am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Scholz hat Russland auch vor den Konsequenzen eines Angriffs auf die Ukraine gewarnt. "Jede weitere Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine wird hohe Kosten haben für Russland - politisch, ökonomisch und geostrategisch", sagt Scholz.

Der deutsche Kanzler zeigt sich weiter bereit zur Diplomatie mit Russland. "So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein - das ist der Anspruch", sagt er. Russland habe die Frage einer möglichen NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zum "casus belli" erhoben. "Das ist paradox: denn hierzu steht gar keine Entscheidung an."

Ukrainischer Präsident Selenskyj trifft US-Vizepräsidentin Harris

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte unterdessen nach Angaben seines Büros seine Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz an diesem Samstag. Dort ist unter anderem ein Treffen mit US-Vizepräsidentin Kamala Harris vorgesehen. Die US-Vizepräsidentin hat in München die Verbündeten in der Ukraine-Krise zur Geschlossenheit aufgerufen: "Die Grundlage der europäischen Sicherheit ist in der Ukraine unmittelbar bedroht."

In zwei Weltkriegen sei ein Konsens entstanden, wonach Ordnung statt Chaos und Sicherheit statt Konflikt zu suchen seien, sagte Harris. Völker und Nationen hätten das Recht, ihre Regierungsform und Bündnisse zu wählen. Nationale Grenzen dürften nicht mit Gewalt verändert werden.

Für Sonntag ist nach Angaben des Kreml ein Telefonat der Präsidenten Russlands und Frankreichs, Wladimir Putin und Emmanuel Macron, angesetzt worden.

Russland testet Raketentests 

Russland hat indes ein angekündigtes Manöver mit Einsatz ballistischer Raketen abgehalten. Präsident Putin habe die Übung am Samstag vom Kreml aus gestartet, sagte Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge in Moskau.

Biden: Russland will Ukraine nächste Woche angreifen

Russland plant nach Ansicht von US-Präsident Joe Biden, die Ukraine nächste Woche anzugreifen, inklusive der bevölkerungsreichen Hauptstadt Kiew. Er sei "überzeugt", dass der russische Präsident den Entschluss für einen Einmarsch in die Ukraine getroffen habe, sagte Biden unterdessen am Freitag im Weißen Haus. Biden betonte erneut, es sei nicht zu spät, eine diplomatische Lösung in dem eskalierenden Konflikt zu finden. Er rechne aber mit einer baldigen Invasion.

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Bisher hatte die US-Regierung stets betont, sie wisse nicht, ob Putin eine Entscheidung für eine Invasion der Ukraine getroffen habe. Etwa 40 bis 50 Prozent der russischen Truppen an der ukrainischen Grenze befinden sich nach Darstellung eines Insiders aus dem US-Verteidigungsministerium in "Angriffsposition". Es seien immer noch rund 150.000 russische Soldaten an der Grenze, die etwa 125 taktische Gruppen umfassten, sagt der Insider, der namentlich nicht genannt werden will. Die Prozentzahl der Streitkräfte in Angriffposition sei höher als zuvor bekannt. Das deute darauf hin, dass diese russischen Einheiten die Ukraine ohne Warnung angreifen könnten.

In dieser Woche aufgenommene Satellitenbilder zeigen zudem militärische Aktivitäten in Belarus, auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim und im Westen Russlands. Das in den USA ansässige Unternehmen Maxar Technologies meldete die Stationierung neuer Hubschraubereinheiten an mehreren Orten im Nordwesten von Belarus sowie zusätzliche Bodenkampfflugzeuge, Luftabwehreinheiten und Drohnen. Die Satellitenaufnahmen zeigten zudem Panzer und Truppentransporter auf einem Flugplatz 16 Kilometer vor der ukrainischen Grenze, so Maxar.

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Biden: Westen nicht gespalten

Angesichts des russischen Militäraufmarsches würde eine Provokation seitens der Ukraine nach Ansicht von US-Präsident Biden "dem gesunden Menschenverstand widersprechen". Moskau bemühe sich, die Ukraine als Aggressor darzustellen und setze dabei gezielt Falschinformationen wie eine angeblich geplante Offensive in der östlichen Donbass-Region ein, sagte er. "Es gibt für diese Behauptungen keine Beweise und es widerspricht dem gesunden Menschenverstand, zu glauben, dass die Ukrainer diesen Zeitpunkt, an dem mehr als 150.000 Truppen an der Grenze stehen, wählen würden, um einen jahrelangen Konflikt zu eskalieren", sagte Biden. Das ukrainische Militär habe bisher mit guten Einschätzungsvermögen und auch "Zurückhaltung" agiert. "Sie verweigern es den Russen, sie in einen Krieg zu ziehen", sagte Biden. Es sei eine Tatsache, dass die russischen Truppen die Ukraine "umzingelt" hätten, betonte Biden. Moskau habe im Osten der Ukraine Soldaten in Grenznähe in Stellung gebracht, genauso im nördlichen Belarus und wie im Süden im Schwarzen Meer, sagte Biden.

"Wir haben Gründe zu glauben, dass das russische Militär plant und vorhat, die Ukraine in der kommenden Woche, in den kommenden Tagen, anzugreifen", sagte Biden und fügte hinzu: "Wir glauben, dass sie die ukrainische Hauptstadt Kiew angreifen werden, eine Stadt mit 2,8 Millionen unschuldigen Menschen." Die US-Regierung spreche so offen über Russlands Pläne, um Moskaus Bemühungen zu durchkreuzen, die Ukraine unter einem Vorwand anzugreifen, sagte Biden weiter. Falls Russland seine Pläne vorantreiben sollte, wäre es für einen "katastrophalen" und selbst begonnenen Krieg verantwortlich. Russland bemühe sich unter anderem mit Falschinformationen darum, einen Vorwand für einen Angriff auf die Ukraine vorzutäuschen.

Nach seinem kurzen Auftritt im Weißen Haus schrieb Biden auf Twitter: "Das amerikanische Volk ist geeint. Europa ist geeint. Die transatlantische Gemeinschaft ist geeint. Die gesamte freie Welt ist geeint." Der US-Präsident fügte hinzu: "Russland hat die Wahl - zwischen Krieg und all dem Leid, das er mit sich bringen wird - oder einer Diplomatie, die die Zukunft für alle sicherer macht."

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Der Westen befürchtet seit Wochen, dass die Verlegung Zehntausender russischer Soldaten an die Grenze zur Ukraine der Vorbereitung eines Krieges dienen könnte. Russland weist das zurück.

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Panzerabwehrraketen aus Estland nach Kiew geliefert

Inmitten schwerer Spannungen mit Russland hat die Ukraine eine erste Ladung Waffen von Estland erhalten. Die Javelin-Panzerabwehrraketen sind in Kiew angekommen und wurden an die Ukraine übergeben, wie das estnische Verteidigungsministerium in Tallinn am Freitagabend mitteilte. Zur Anzahl der gelieferten Raketen wurden keine Angaben gemacht.

"Dies ist ein kleiner Schritt Estlands zur Unterstützung der Ukraine, aber es ist ein echter und greifbarer Beitrag, um sich gegen eine russische Aggression zu verteidigen", erklärte der Chef der Armee des baltischen EU- und NATO-Landes, Generalleutnant Martin Herem. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow dankte für die Unterstützung. "Wir sehen – wir sind nicht allein", twitterte er.

Estland hatte zusammen mit den beiden anderen Baltenstaaten Lettland und Litauen angekündigt, in den USA hergestellte Waffensysteme an Kiew zu liefern - mit Zustimmung Washingtons. Damit solle die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine gestärkt werden. Aus Litauen sind bereits Stinger-Flugabwehrraketen nach Kiew geliefert worden.

Estland will der Ukraine zudem neun Haubitzen aus DDR-Altbeständen geben. Diese waren von der deutschen Bundeswehr erst an Finnland abgegeben worden und dann von dort nach Estland gelangt. Es ist vertraglich geregelt, dass Deutschland einer Weitergabe zustimmen muss. Eine Antwort aus Berlin steht aber noch aus. Die deutsche Regierung hat Waffenlieferungen an die Ukraine bisher eine klare Absage erteilt.