Prag: Mit Wut und Überdruss nach links
Einem Erzbischof quasi das Wort zu verbieten, das ist auch im nicht gerade tiefgläubigen Tschechien eine ziemliche Grobheit. Doch als Dominik Duka im Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk anfing, vor der „Rückkehr unter die roten Fahnen mit Hammer und Sichel“ zu warnen, blieb der Reporterin nichts anderes übrig, als das Gespräch ansatzlos abzubrechen. Politische Kampagnen, so die Erklärung, seien unmittelbar vor Wahlen nicht zulässig.
Doch was den populären Kirchenmann, der einst unter der kommunistischen Diktatur selbst im Gefängnis saß, so aufbrachte, macht im bürgerlichen Prag vielen Menschen Sorgen. Tschechien steht bei den Parlamentswahlen am kommenden Freitag und Samstag vor einem klaren Linksruck.
Die Sozialdemokraten werden, das sagen alle Umfragen, als Sieger durchs Ziel gehen. Doch um regieren zu können, brauchen sie Unterstützer – und die könnte man möglicherweise noch weiter links finden. Die Kommunisten, die sich bis heute nur halbherzig von ihrer Vergangenheit distanziert haben, könnten eine sozialdemokratische Regierung billigen und sich so, zumindest indirekt, ein Stück politische Macht zurückholen.
Populist punktet
Die Stimmen vieler bürgerlicher Wähler sammelt aber ein anderer ein. Unternehmer und Milliardär Andrej Babis ist mit seiner Bewegung ANO die Überraschung des Wahlkampfes (der KURIER berichtete). Sein Auftreten als Nicht-Politiker, der das Land wie ein Familienunternehmen führen will, trifft genau die Frustration vieler Tschechen über ihre Politik.
Ob mit Babis oder ohne, eine grundsätzliche Änderung in der tschechischen Politik sieht Petr Brod auch nach diesen Wahlen nicht. Die Sozialdemokraten in der Regierung würden wohl auf Kosten höherer Staatsschulden ein paar soziale Härten abfedern. Eine wirklich langlebige Regierung dürften aber auch sie vermutlich nicht zusammenbringen: „Schließlich war ja schon die letzte trotz klarer Mehrheit nicht sehr lange stabil.“