Politik/Ausland

Prag: Mit Wut und Überdruss nach links

Einem Erzbischof quasi das Wort zu verbieten, das ist auch im nicht gerade tiefgläubigen Tschechien eine ziemliche Grobheit. Doch als Dominik Duka im Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk anfing, vor der „Rückkehr unter die roten Fahnen mit Hammer und Sichel“ zu warnen, blieb der Reporterin nichts anderes übrig, als das Gespräch ansatzlos abzubrechen. Politische Kampagnen, so die Erklärung, seien unmittelbar vor Wahlen nicht zulässig.

Doch was den populären Kirchenmann, der einst unter der kommunistischen Diktatur selbst im Gefängnis saß, so aufbrachte, macht im bürgerlichen Prag vielen Menschen Sorgen. Tschechien steht bei den Parlamentswahlen am kommenden Freitag und Samstag vor einem klaren Linksruck.

Die Sozialdemokraten werden, das sagen alle Umfragen, als Sieger durchs Ziel gehen. Doch um regieren zu können, brauchen sie Unterstützer – und die könnte man möglicherweise noch weiter links finden. Die Kommunisten, die sich bis heute nur halbherzig von ihrer Vergangenheit distanziert haben, könnten eine sozialdemokratische Regierung billigen und sich so, zumindest indirekt, ein Stück politische Macht zurückholen.

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Die bürgerlichen Parteien, deren Koalitionsregierung gerade in einem Wust aus Korruptionsskandalen und Machtmissbrauch abtreten musste, warnen natürlich laut vor diesem Pakt aus Links und Linkslinks. Der populäre Künstler und Aktionist David Cerny hat auf der Moldau in Prag eine Hand mit riesigem ausgestreckten Mittelfinger aufstellen lassen. Der zeigt in Richtung Prager Burg, wo nach Ansicht der Bürgerlichen der Drahtzieher dieses Linksrucks sitzt: Staatspräsident Milos Zeman. Einst bei den Sozialdemokraten im Zorn ausgestiegen, zieht er in der voraussichtlichen Regierungspartei jetzt im Hintergrund die Fäden. Der Präsident, so mutmaßt man in Prag, wolle sich eine Regierung nach seinem Willen zusammenstellen. „Die Warnung vor den Kommunisten zieht bei den meisten Leuten nicht mehr“, hält der frühere BBC-Korrespondent und erfahrene Prager Politik-Experte Petr Brod gegenüber dem KURIER wenig von solchen Angstkampagnen: „Ich sehe keinen Grund mehr, sich vor den Kommunisten zu fürchten.“
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Für Brod ist das zentrale Motiv dieser Wahl der Ärger der Bürger über die grassierende Korruption, die Nichtbestrafung ihrer Profiteure und das Fehlen von Reformen. Und das lasten diese vor allem den bisherigen Mitte-Rechts-Regierungsparteien an. Ihr einziger weiterhin populärer Vertreter istEx-Außenminister Karel Schwarzenberg. Seine Partei Top 09 könnte zumindest ein zweistelliges Ergebnis erzielen.

Populist punktet

Die Stimmen vieler bürgerlicher Wähler sammelt aber ein anderer ein. Unternehmer und Milliardär Andrej Babis ist mit seiner Bewegung ANO die Überraschung des Wahlkampfes (der KURIER berichtete). Sein Auftreten als Nicht-Politiker, der das Land wie ein Familienunternehmen führen will, trifft genau die Frustration vieler Tschechen über ihre Politik.

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Dass der Populist Babis tatsächlich auf Dauer eine Rolle in der tschechischen Politik spielt, bezweifelt Experte Brod. Ähnliche Bewegungen hätten schon bei den letzten Wahlen Erfolge erzielt und wären trotzdem rasch wieder verschwunden.

Ob mit Babis oder ohne, eine grundsätzliche Änderung in der tschechischen Politik sieht Petr Brod auch nach diesen Wahlen nicht. Die Sozialdemokraten in der Regierung würden wohl auf Kosten höherer Staatsschulden ein paar soziale Härten abfedern. Eine wirklich langlebige Regierung dürften aber auch sie vermutlich nicht zusammenbringen: „Schließlich war ja schon die letzte trotz klarer Mehrheit nicht sehr lange stabil.“