Politik/Ausland

Politologe warnt vor Jahrzehnten der Instabilität in Europa

Die große Einigkeit in Europa gegen Russland nach dem Kriegsausbruch sei überraschend gewesen, sagt EU-Experte Stefan Lehne am Donnerstag in der ZIB2. Man könne sich jedoch nicht darauf verlassen, dass diese immer so bestehen bleibe: Gerade in der Frage der Energiesanktionen sei die Spaltung "enorm": "Während wir hier reden, fliegen fast die Fetzen im Ratsgebäude, glaube ich", so Lehne mit Verweis auf die drei Gipfel, die heute in Brüssel stattfanden: "Die Gegensätze sind schon sehr groß". 

Putins "Spaltpilz"

Alle seien sich einig, dass die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen abgebaut werden müsse. Manche Länder wie Deutschland, Österreich oder Ungarn seien der Meinung, dass das nur mittelfristig möglich sei. Sie seien nicht bereit, dies sofort in einem Schritt zu vollziehen, da sie Angst um ihre Industrie und vor einer Rezession hätten.

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Die Forderung Putins, dass Gaslieferungen nun mit Rubel bezahlt werden müssten, wertet der Experte als "klugen Schachzug" und "Spaltpilz": Würde die EU sich dem beugen, würde sie die "eigenen Sanktionen aushebeln". Dadurch würde nämlich der Rubel gestützt und genau das gelte es zu verhindern. Manche hielten Putins Schritt für einen "Bluff".

"Noch brutaler, noch blutiger"

Lehne fürchtet, dass der Krieg noch andauern werde, "vielleicht mehrere Wochen, vielleicht mehrere Monate". Der Krieg werde "vermutlich noch brutaler, noch blutiger", da Putin immer mehr zivile Ziele angreifen werde.

Gleichzeitig würden die Belastungen durch den Krieg für die Europäer immer schlimmer: Es werde einen Inflationsschub geben, die Energie- und Nahrungsmittelpreise würden steigen. Dazu komme "die Last von Millionen Flüchtlingen, die zu tragen und finanzieren sein wird". Dadurch drohe eine "Kriegsmüdigkeit", die manche zum Denken bringen könne, warum Selesnkij nicht kapituliere. Das wäre eine "enorme Gefahr", so Lehne. Wenn Putin sich in dem Konflikt durchsetze, weil zu wenig Gegendruck durch die NATO und die EU komme, hätte Europa "vielleicht mit Jahrzehnten Instabilität zu kämpfen". Dann wäre die Ukraine nur ein erster Schritt und andere Aggressionsakte würden folgen.