Polen: Regierungskritiker erleben mehr Härte
Von Jens Mattern
Morgens um sechs klingelte die Staatsmacht – in Warschau wurde die Politik-Aktivistin Elzbieta Podlesna von sechs Polizisten verhaftet, die ihre Wohnung untersuchten sowie Computer und Handy konfiszierten. Danach wurde sie ins 100 Kilometer entfernte Plock gebracht. Dort soll sie Plakate mit dem Konterfei der Heiligen Madonna von Tschenstochau auf Gebäude der Maximillian Kolbe Kirche geklebt haben. Der Heiligenschein sei dabei in Regenbogenfarben gehalten – der Fahne der Schwulen- Lesben und Transgenderbewegung (LGTB). In Polen droht bei Beleidigung religiöser Gefühle eine Strafe von bis zu zwei Jahren Haft.
Der Pressesprecher der Katholischen Kirche in Polen, Pawel Rytel Adrianik, nannte die Plakate „Gotteslästerung“, der Innenminister Joachim Brudzinski sprach von „Kulturbarbarei“. Die 51-jährige kam nach fünf Stunden Verhör wieder unter Auflage frei.
Die nationalkonservative Regierung in Polen fährt derzeit wieder einen schärferen Kurs gegen ihre Kritiker. Dazu gehören Religionskritiker und Mitglieder der LGTB-Bewegung.
Noch vor zwei Wochen hat Jaroslaw Kacyznski, Chef der regierenden Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) auf der katholischen Tagung „Pole sein – Stolz und Verpflichtung“ in Breslau (Wroclaw) gewarnt: „Die LGTB Bewegung bedroht unsere Identität, bedroht die Nation, bedroht den polnischen Staat“.
Dass nun eine Person früh morgens verhaftet wurde, ist jedoch eine Reminiszenz an die Zeiten der Volksrepublik als der Inlandsgeheimdienst „SB“ ebenfalls in der Früh politische Gegner aufsuchte.
Ein weiterer Fall zeugt vom Durchgreifen des Regierungslagers: die oppositionelle Zeitung „Gazeta Wyborcza“ berichtete am Dienstag in eigener Sache – Jaroslaw Kaczynski habe sie angezeigt. Die Zeitung berichtet seit Januar von einem ominösen Immobilien-Coup des Parteichefs. Dieser wollte einen Zwillingsbüroturm auf dem Gelände einer Stiftung und mittels einer Immobilienfirma gründen, in denen er informal das Sagen hat. Nachdem er aus politischer Vorsicht das Bauprojekt stoppte, liess er den österreichischen Unternehmer Gerald Birgfellner, ein Schwager seines Cousins, auf den bisherigen Kosten von 1,3 Millionen Euro sitzen. Dieser nahm ein vertrauliches Gespräch mit Kaczynski zu der Sache auf, klagte und gab die Verhandlung mit dem Parteichef der „Gazeta Wyborcza“ weiter. Der 68-jährige ist zwar formal nur ein einfacher Abgeordneter, gilt jedoch als der ungekrönte König des Landes, noch vor Premierminister Mateusz Morawiecki.
Der klagende Österreicher wurde von der Staatsanwaltschaft bereits fünfmal verhört, auf der anderen Seite weigert sie sich eine Untersuchung gegen Kaczynski einzuleiten. Aufgrund der Justizreform der seit knapp vier Jahren regierenden Partei rechnen Kritiker nicht mit einem fairen Verfahren.
Kaczynski verlangt nun neben einer Summer von umgerechnet 7000 Euro zugunsten eines Tierheims eine offizielle Entschuldigung – wegen „Verletzung seines guten Namens“, der Darstellung des Politikers als „Betrüger“ sowie wegen der unerlaubten Veröffentlichung der heimlichen Aufnahme.
Nach Angaben der Vereinigung „Reporter ohne Grenzen“ seien dies „autoritäre Methoden“, um die Zeitung einzuschüchtern.
Die Regierungspartei sitzt auf den ersten Blick fest im Sattel – nach Umfragen liegt sie konstant bei knapp vierzig Prozent, die liberaleren Oppositionsparteien können ihr auch im Verbund nichts anhaben. Allerdings schien die PiS der Auftritt des ehemaligen Premiers und derzeitigen Vorsitzenden des Europäischen Rats, Donald Tusk, in der vergangenen Woche in der Warschauer Universität nervös gemacht zu haben. Im Staatssender TVP wurde ein Hitler-Vergleich bemüht. Tusk wird am vierten Juni in Danzig zu 30. Jubiläum der ersten halbwegs freien Wahlen im Ostblock sprechen. Dabei könnte der 62-jährige konkretes zu den vielen Gerüchten verkünden, er würde wieder aktiv in die polnische Politik einsteigen: im Herbst steigen die Parlamentswahlen, im kommenden Frühjahr die Präsidentschaftswahlen.
Zur Verhaftung der Politik-Aktivistin aufgrund der „Regenbogen-Madonna“ erklärte Tusk am Dienstag in Posen: „Das ist einfach unvorstellbar“.
Mit dem harschen Vorgehen gegen aktuelle Kritiker will die PiS nun wohl Stärke zeigen.