"Patriotische Partei": Rechtspopulisten vor Triumph in Spanien
Von Josef Manola
Die Treffen der Rechtspopulisten finden meist in Wirtshäusern statt. Die Vox-Bezirksgruppe Toledo hat in eine Bierstube in der Ortschaft Illescas geladen. Langsam treffen die Sympathisanten ein, Menschen aus der Umgebung, die auf Pins und Armbändern ihre Zugehörigkeit zu Vox kundtun.
In einer langen Schlange stellen sie sich an der Theke für die Getränke an. Die Zeche wird am Ende der Veranstaltung der Parteikassier begleichen.
Die landesweite Kandidatur stellt die Organisatoren vor Schwierigkeiten. Regionale Strukturen mussten erst aufgebaut werden, in der Werbung setzt Vox auf soziale Netzwerke, Videos von Veranstaltungen auf YouTube sind der Renner.
Dazu gibt es noch ein recht professionell gemachtes Werbevideo: Obmann Santiago Abascal wandert über ein Kornfeld, streicht mit der Hand über Ähren, stapft durch einen Fluss und lässt sich von einem Gewitterguss erfrischen (siehe unten).
„Eine Bewegung“
Auf die Szene, in der Abascal mit einer Reitergruppe gen Sonnenuntergang trabt, ist der Community Manager von Vox besonders stolz.
„Wir sind keine herkömmliche Partei, sondern eine Bewegung. Und die Leute machen begeistert mit. Sie opfern Zeit und Geld, um dabei sein zu können“, sagt Manuel Mariscal, der als Pressechef für die Madrider Volkspartei PP arbeitete, bevor er sich der neuen Rechtspartei anschloss und sie auf Instagram zur Nummer eins machte.
Dass es bei der Besetzung der Kandidatenplätze Probleme gegeben habe, bestreitet der 26-Jährige. Mariscal erzählt von sich: Er habe bei den Konservativen deutlich mehr verdient, bekommt jetzt 1.000 Euro monatlich und ist rund um die Uhr im Einsatz.
Das könnte sich nach der Parlamentswahl radikal ändern: Die Aussichten des Journalisten stehen gut, als Abgeordneter demnächst ins Parlament einzuziehen.
12 Prozent und mehr
Das Abschneiden der Rechtspopulisten am heutigen Wahltag bereitet den Demoskopen Kopfzerbrechen. Dass Vox 12 Prozent der Stimmen – das Ergebnis der andalusischen Regionalwahl – wiederholen könnte – gilt als sicher.
Unklar ist das Stimmverhalten der Unentschlossenen, ein Drittel der Wahlberechtigten gab keine Auskunft. „Dass Wähler radikaler Optionen ihre Sympathien verbergen, ist nicht neu“, sagt ein Meinungsforscher, „das Ergebnis von Vox könnte also deutlich über 12 Prozent liegen.“
Sicherheit der Heimat
Das Publikum bei der Abschlusskundgebung an der Plaza Colon ist bunt zusammen gewürfelt. Da ist der Kellner Josemaria mit Piercing im Ohr und Tätowierungen an den Armen. Er spricht von seiner Begeisterung für eine Bewegung, die er als „aufrichtig“ empfinde.
Der praktizierende Katholik hat keine Schwierigkeiten mit dem Gebot der Nächstenliebe, zu dem Papst Franziskus alle Politiker ermahnte: „Ich spende regelmäßig für eine Flüchtlings-NGO und natürlich ist Hilfe notwendig. Aber unser Obmann plädiert zu Recht für eine geordnete Zuwanderung. Die Politik der offenen Arme, wie sie die Sozialisten praktizieren, gefährdet die Sicherheit unserer Heimat und die Ordnung zu Hause.“
Abascal, der studierte Soziologe, der seit seiner Jugend Politiker ist und als Gemeinderat im Baskenland von der Terrororganisation ETA bedroht wurde, nennt Vox eine „patriotische Partei“, in der Platz für jeden sei. Für spanientreue Sozialisten ebenso, wie für enttäuschte Konservative, die der PP den Rücken kehrten.
„In einer Zeit wachsender Unsicherheit, in der die Regionalregierung in Katalonien versucht, das Land zu spalten, braucht es entschlossene Politiker“, ruft er dem Publikum zu.
Abascal würde am liebsten die Autonomien in Spanien abschaffen und die regionale Verwaltung der Zentralregierung unterstellen; damit wäre der „separatistische Spuk schnell zu Ende“.
Viel Applaus, wo immer er auftritt, erntet der Abascal-Vertraute Javier Ortega Smith. Der 50-Jährige Vox-Generalsekretär tritt als Privatkläger im zurzeit vor dem Obersten Gericht laufenden Prozess gegen katalanische Politiker auf. Vor seinem Einstieg in die Politik 2014 war er Berufsoffizier einer Eliteeinheit des Heeres.
Ortega wird als Mann der Tat von den Anhängern bewundert: Als es darum ging, Spaniens Anspruch auf Gibraltar zu untermauern, schwamm der 1,90 Meter-Mann durch die Bucht von Algeciras und pflanzte Spaniens Flagge in der britischen Kronkolonie auf. „Das ist der Mann“, sagt Josemaria, „der mit den katalanischen Separatisten verhandeln müsste.“