Politik/Ausland

Papst Johannes Paul II. schickte mutmaßlichen Pädophilen ins Weinviertel

Die Enthüllungen aus einer US-TV-Dokumentation halten Polen seit Tagen in Atem, stürzen eine der großen Figuren der katholischen Kirche vom Sockel - und führen nun nach Österreich. Der 2005 verstorbene und 2014 heilig gesprochene ehemalige Papst Johannes Paul II. soll in seiner Zeit als Kardinal in Polen mehrfach Kindesmissbrauch von Priestern gedeckt haben. Die mutmaßlichen Täter wurden ins Ausland abgeschoben, einer von ihnen nach Österreich.

Der Priester Boleslav Sadus landete in der Gemeinde Gaubitsch unweit von Mistelbach im niederösterreichischen Weinviertel und war dort von 1975 bis 1990 Seelsorger. Im Frühjahr 1972 hatte Wojtyła den Priester als Seelsorger der St.-Florian-Gemeinde in Krakau suspendiert.

Ein Krakauer Priester hatte den kommunistischen Geheimdienst informiert, dass Sadus immer wieder von Müttern der sexuell missbrauchten Kinder auf der Straße angehalten worden sei und diese ihn laut verflucht hätten.

Schreiben an Kardinal König

Wenig später, im  November 1972, richtet der spätere Papst ein Empfehlungsschreiben an Kardinal König in Wien. Der Krakauer Priester Boleslaw Sadus begebe sich ins Ausland, um Material für seine Studien zu sammeln, schrieb Wojtyła, der den Brief handschriftlich unterzeichnete: "Er interessiert sich für Entwicklungspsychologie (Einfluss der technischen Zivilisation auf die Psyche des Kindes), Entstehung religiöser Begriffe." Sadus selbst hatte sich schon zuvor persönlich an Kardinal König gewandt, mit der Bitte um eine Aufenthaltserlaubnis in der Diözese, sowie um einen Posten in der Kirche.

Weitere Archivrecherche

Die Erzdiözese Wien bestätigte am Montag, dass es zu dem betreffenden Geistlichen keinen Hinweis aus Krakau in Sachen Missbrauch gegeben habe. "Wir haben das untersucht, als wir Anfang Jänner dieses Jahres eine Anfrage aus Polen erhielten. In unseren Akten gibt es auch keine Hinweise auf mögliche Taten während der Zeit in Österreich", erklärte Sprecher Michael Prüller. Auch bei der Unabhängigen Opferschutzkommission sei keine Anschuldigung gegen den Priester bekannt. Es seien weitere Archivrecherchen notwendig, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Politische Empörung

In Polen hat die TV-Dokumentation, in der die Geschichte des nach Österreich entsandten Priesters eine zentrale Rolle spielt, inzwischen auch politisch hohe Wellen geschlagen. Sowohl die Politik als auch Spitzenvertreter der Kirche rückten aus, um den Ex-Papst zu verteidigen. Der Krakauer Erzbischof Marek Jedraszewski wies den Vorwurf der Missbrauchsvertuschung energisch zurück. Aktuell laufe mit „Lügen und Unterstellungen“ eine „Operation zur Zerstörung der leuchtenden Erinnerung an ihn“, sagte Jedraszewski am Dienstagabend bei einem Gottesdienst in Krakau.

"Versuchen ihn zu vernichten"

„Johannes Paul II. bleibt weiterhin ein Feind der Prediger der Gender-Ideologie, der Befürworter von Abtreibung und Euthanasie, deshalb wird versucht, ihn zu vernichten“, so der stellvertretende Vorsitzende der Polnische Bischofskonferenz. Die Regierung in Warschau hat den US-Botschafter in Polen offiziell einbestellt, eine schwerwiegende diplomatische Geste. „Heut spielt sich der Krieg nicht nur hinter unseren östlichen Grenzen ab. Leider gibt es Milieus, die versuchen Krieg hier in Polen anzuzetteln, keinen militärischen, sondern einen gegen die Zivilisation.“ so Premierminister Mateusz Morawiecki.

Der Journalist des US-Privatsenders TVN hat Betroffene befragt, auch Personen, die dem Geistlichen damals direkt über sexuelle Übergriffe berichtet hatten sowie kirchliche Dokumente und Unterlagen des kommunistischen Geheimdienstes durchforstet. Anschuldigungen gibt es schon lange, dass Karol Wojtyla, wie der Geistliche als Bischof in Krakau bis zur Berufung als Papst 1978 noch hieß, Mitwisser und Verheimlicher von Missbrauchsfällen war.