Politik/Ausland

Orbán, König Fußball und die Oligarchen

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Freunde vom Fußball-Platz

Fußball ist Viktor Orbáns größte Leidenschaft. Bis zu sechs Matches pro Tag soll der frühere Zweitligaspieler im TV verfolgen, bei Finalspielen einer WM oder in der Champions League ist er regelmäßig vor Ort. Fußball, wie Ungarns Premierminister gerne philosophiert, habe sein politisches Weltbild geprägt, Fußball aber verbindet ihn auch mit seinen engsten Vertrauten und Partnern. Sie haben mit ihm in der Schule oder an der Universität gekickt und sind später an seiner Seite zu den reichsten Männern des Landes geworden.

Das größte Denkmal für seine Leidenschaft hat sich Orbán in seiner Heimatstadt Felcsút, unweit von Budapest, errichten lassen: ein Stadion für den zweitklassigen Verein des kleinen Ortes, mit Ehrenplätzen für Orbán und seine Freunde, die dort regelmäßig an Wochenenden vorfahren. Verlässlich auf der Tribüne zu finden ist natürlich Lorinc Mészáros. Schließlich ist der Schulfreund des Premiers nicht nur Bürgermeister des Ortes, sondern vor allem Präsident des Fußballklubs und dessen größter Sponsor. Für den 52-Jährigen kein Problem, ist der ehemalige Heizungsinstallateur doch in den letzten Jahren zu einem der fünf reichsten Männer Ungarns avanciert, besitzt Baufirmen und landwirtschaftliche Großbetriebe und kontrolliert dazu ein ständig wachsendes Medienimperium.

Schnell zum großen Geld

Es sind vor allem einflussreiche Lokalzeitungen, in denen – so meinen Kritiker – die Propaganda der Regierung völlig kritiklos und obendrein gleichförmig verbreitet werde. Mészáros’ Millionen fließen inzwischen auch in ausländische Fußballklubs. So hat er sich etwa im kroatischen Osijek eingekauft.

Gleich nach seinem Heimatverein kommt für Orbán Videoton, ein Fußballklub aus dem westungarischen Székesfehérvár. Auch der gehört einem seiner engsten Freunde, István Garancsi. Der Bauunternehmer, der riesige öffentliche Aufträge in Budapest an Land ziehen konnte und außerdem zu den größten Empfängern von EU-Förderungen in Ungarn zählt, hat sich ebenfalls in erstaunlichem Tempo ins Spitzenfeld der reichsten Männer Ungarns hinaufgearbeitet, derzeit rangiert er laut Financial Times auf Platz 11.

Machenschaften wie jene von Garancsi oder Mészáros sind gerade in letzter zeit regelmäßig an die Öffentlichkeit gelangt. Doch auch für die spektakulären Enthüllungen über Korruptionsaffären im Umfeld ist ein Fußballfreund aus Orbáns Jugendtagen verantwortlich. Lajos Simicska hat einst mit Viktor Orbán ein Zimmer im Studentenwohnheim in Budapest geteilt und abends mit ihm Fußball gespielt. Als Gründungsmitglied der Fidesz-Partei wurde Simicska, nachdem Orbán die Regierung übernommen hatte, zum Chef eines Imperiums aus ehemals staatlichen Firmen. Dazu kam rasch eine Vielzahl an Medien, vom TV-Sender bis zu Zeitungen.

Vom Freund zum Feind

Über Jahre galt der bullige Simicska als der mächtigste Unternehmer Ungarns. „Er war Orbáns engster Verbündeter, und irgendwann ist er ihm zu mächtig geworden“, analysiert der Politikwissenschaftler Andras Schweitzer gegenüber dem KURIER: „Der Premier wollte nicht mehr nur einen Oligarchen neben sich.“

2015 kam es zum Bruch der Männerfreundschaft. Simicska musste auf Teile seines Medienimperiums verzichten, das jetzt über Umwege in die Hände der neuen Verbündeten des Premiers gelangte. Doch mit dem verbliebenen Rest führt der heute 58-Jährige einen unbarmherzigen Krieg gegen seinen Jugendfreund. Fast täglich werden in seinen Blättern wie Magyar Nemzet Berichte über Affären der Orbán-Regierung veröffentlicht. Und Simicska betont in der Öffentlichkeit gerne, dass er noch viel mehr Übles über Orbán auf Vorrat habe und einiges davon vielleicht noch vor der Wahl ans Licht kommen werde.

Orbán ist sich der Gefahr, die Medien für seine Regierung und damit sein gesamtes System darstellen, sehr bewusst. „Er ist überzeugt, dass die Medien für seine früheren politischen Niederlagen verantwortlich sind, dass sie ihn hintergangen haben“, analysiert der auf Medienpolitik spezialisierte ungarischen Journalist Daniel Reniye die Hintergründe: „Er hat seit langem beschlossen, dass er Kontrolle über die Medien braucht, um auf Dauer Erfolg zu haben.“ Reniye, der als Gast des „Forum für Journalismus und Medien“ (FJUM) in Wien kürzlich über Orbáns Medienpolitik referiert hat, zeigt, wie konsequent der Premier auch die Kontrolle über die Medien in die Hände seiner Freunde gelegt hat. Umso mehr, seit sich sein mächtigster Verbündeter Simicska gegen ihn gestellt hat.

Lokalzeitungen sind in vielen ländlichen Regionen Ungarns die mit Abstand wichtigste Informationsquelle. Die Mehrzahl dieser Zeitungen ist inzwischen – über einen Umweg über Österreich – im Einflussbereich von Lorinc Mészáros’ Opimus Press gelandet. Reniye demonstriert an Beispielen eindrucksvoll, wie perfekt in diesen Zeitungen die politische Gleichschaltung funktioniert. Regierungskritische Medien hingegen sind zunehmend unter Druck. Sie müssen etwa zusätzliche Steuern zahlen oder werden durch den Entzug von Sendelizenzen eingeschränkt. Auch über private Werber lässt sich in einem korrupten System leicht Druck aufbauen: Sie fürchten, keine staatlichen Aufträge mehr zu bekommen, wenn sie in regierungskritischen Medien Inserate schalten. Andere Zeitungen werden einfach zugesperrt, wie etwa die Tageszeitung Népszabadság im Jahr 2016.

Missbrauch von EU-Geldern

Eine wichtige Einnahmequelle für Orbáns Unternehmer-Freunde, aber auch für Familienmitglieder sind EU-Förderungen. Der Schwiegersohn des Premiers, István Tiborcz, griff mit seiner damaligen Firma Elios offensichtlich so tief in die EU-Fördertöpfe, dass die EU-Betrugsbehörde OLAF auf ihn aufmerksam wurde. Millionen an EU-Förderungen flossen auch in einen niedlichen kleinen Bummelzug in Orbáns Heimatstadt. Allzu viele Passagiere sind in den Nostalgie-Waggons nicht zu finden. Doch den Premierminister wird das Ganze wohl an seine Jugend erinnern – ganz so wie das Fußballstadion gleich nebenan.