Politik/Ausland

Opfert sich May für ihren Brexit-Deal?

"Die Zeit ist um, Theresa!" Es ist die britische Boulevard-Zeitung The Sun, die zu Beginn der Brexit-Schicksalswoche das endgültige Aus für Regierungschefin Theresa May einläutet. Und tatsächlich könnten nun die Tage der so zähen Premierministerin gezählt sein. Denn einem Bericht des Senders ITV zufolge spielte die 62-Jährige einen ihrer letzten Trümpfe aus: Sollten die bisherigen Gegner ihres EU-Austrittsabkommens mit Brüssel doch zustimmen, würde sie zurücktreten.

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Keine Mehrheit in Sicht

Angeblich konnte sie mit diesem "Opfer" am Wochenende eine kabinettsinterne Revolte abwenden. Am Montagvormittag scharte sie ihre Minister nochmals um sich. Am späten Nachmittag steht dann eine Parlamentsdebatte an, in der es um die weitere Vorgangsweise im Brexit-Chaos gehen soll. Dabei will May erneut um ihren Deal mit der EU werben. Überlegungen über eine dritte Abstimmung erteilte sie am Montag eine Absage. Laut Beobachtern und ihrer eigenen Einschätzung ist nämlich nach wie vor keine Mehrheit dafür in Sicht.

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Und die harten "Brexiteers" feuern weiterhin aus allen Rohren auf die britische Regierungschefin. Ihr früherer Außenminister Boris Johnson nannte sie "chicken" (Hühnchen), das beim EU-Austritt feige und zögerlich agiere.

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Bürger-Hotline für "Hard Brexit"

Wobei Spiel- und Zeitraum für einen geordneten Austritt des Königreiches schon äußerst limitiert sind. Die Parlamentsmitglieder müssen diese Woche liefern: Stimmen sie (wider Erwarten) doch für Mays ausverhandelten Pakt, gewährt die EU einen Aufschub bis zum 22. Mai (den Termin der EU-Wahl) – als ursprünglichen Brexit-Termin hatte London den 29. März festgelegt, also den kommenden Freitag. Votieren die Abgeordneten dagegen, gilt als neues Stichdatum der 12. April. Bis dahin, das wurde auf dem EU-Gipfel der vergangenen Woche beschlossen, müsste Großbritannien darlegen, wie es weitergehen soll. Ein "Hard Brexit", also ein chaotisches Ausscheiden, steht nach wie vor im Raum. Die EU-Kommission hat für diesen Fall nun eine kostenlose Hotline für alle Bürger eingerichtet (0080067891011). Zudem gibt es Info-Material etwa zu Fragen der Krankenversicherungskarte oder Kosten für die Handynutzung.

Theresa May hat aber auch damit gedroht, das Abkommen gar nicht mehr zur Abstimmung zu bringen. Das könnte bedeuten, dass die Briten bei der EU-Wahl teilnehmen müssten  – eine Horrorvorstellung für glühenden Brexit-Fans.

Im Vereinigten Königreich gibt es, das bestätigen alle Umfragen der vergangenen Monate, eine stabile Mehrheit für einen Exit vom Brexit. Diese gab am Wochenende ein starkes Lebenszeichen von sich. In London demonstrierten laut Veranstaltern mehr als eine Million Menschen für einen Verbleib in der Europäischen Union. "Frau Premierminister, Sie haben die Kontrolle über diesen Prozess verloren", sagte dabei der Vize-Chef der oppositionellen Labour-Partei, Tom Watson, "Sie stürzen das Land ins Chaos. Lassen Sie das Volk die Kontrolle übernehmen."