Politik/Ausland

Österreichs Mr. Brexit: „Das Abkommen ist noch nicht tot“

Noch sind nicht alle Wege für eine geregelte Scheidung zwischen EU und Großbritannien versperrt, glaubt Gregor Schusterschitz. Der Spitzendiplomat verhandelte für Österreich den Brexit.

KURIER: Wenn die EU einen harten Brexit vermeiden will, muss sie dafür sorgen, dass Großbritannien das abgelehnte Austrittsabkommen annimmt. Was könnte sie anbieten?

Gregor Schusterschitz: Die EU ist in einer schwierigen Situation, weil die Motive, weswegen die britischen Abgeordneten gegen den Deal gestimmt haben, sehr unterschiedlich sind. Daher muss erst die britische Seite für sich herausfinden, wie sie aus dieser Situation herauskommt und dann etwas vorschlagen. Wir können nur abwarten und uns anhören, was es an neuen Vorschlägen gibt. Zugleich führen wir unsere Vorbereitungen für den Fall eines harten Brexit weiter.

EU-Chef-Brexitverhandler Barnier sagte, die EU sei verhandlungsbereit. Die Briten müssten nur ihre „roten Linien“ ändern.

Da geht es mehr um das zukünftige Verhältnis und weniger um das Austrittsabkommen. Eine „rote Linie“ ist etwa für die Briten, in einer vollen Zollunion oder im EU-Binnenmarkt zu bleiben – wie nach dem Beispiel Norwegens.

Hätten die Briten Ja zum Deal gesagt, wenn es den Backstop in der Nordirlandfrage nicht gäbe?

Das ist reine Spekulation. Der Backstop ist unverzichtbar, um ein Wiederaufflammen des Bürgerkriegs in Nordirland zu verhindern.

Bei einem harten Brexit würde es eine Grenze zwischen Irland und Nordirland geben.

Deswegen gibt es im britischen Parlament auch keine Mehrheit für einen harten Brexit. Die Sache ist noch nicht vorbei. Auch das Abkommen ist noch nicht tot. Es bietet die beste Gewähr, dass es zu keiner harten Grenze kommt.

Wieso legt die EU kein Enddatum für den Backstop fest, wie das viele Tories verlangen?

Das wäre unlogisch und sinnlos. Der Backstop ist die Rückversicherung der Rückversicherung. Mit Enddatum wäre sie das nicht mehr. Ein gutes zukünftiges Verhältnis macht den Backstop ohnehin überflüssig.

Gibt es schon Vorbereitungen für eine eventuelle Verschiebung des Austrittsdatums?

Nein. Das müssen sich die Briten überlegen. Wenn die Vermeidung eines harten Brexit eine Verschiebung notwendig macht, sind wir die Letzten, die dagegen sind.

Würden Sie einem EU-Bürger, der am 30. März nach Großbritannien reisen will, dazu raten, die Reise zu verschieben?

Das bekommen wir sicher in den Griff. Wir diskutieren, dass britische Flugzeuge weiter in der EU landen können, dass Lkw-Transporte möglich sind und Visa-Freiheit für britische Staatsbürger sowie großzügige Aufenthaltsregelungen für Briten, die schon da sind. Und auf britischer Seite macht man dasselbe.

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