Politik/Ausland

Wie die neue CDU-Chefin die Partei neu aufstellen will

So oft Friedrich Merz zuletzt die Agenda der Presse beschäftigte, gestern fiel sein Name kein einziges Mal. Das lag zum einen an den Reportern, die mal nicht nach der Zukunft für den unterlegenden Kandidaten um den Parteivorsitz fragten. Andererseits auch an der neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die gleich zu Beginn klar stellte, worüber sie und ihre Partei im Potsdamer Kongresshotel nicht sprachen: "Die Debatten haben sich um politische Sachfragen gedreht und nicht um Personalien." Damit trat sie auch den Wortmeldungen mancher Kollegen entgegen, die den Wirtschaftsanwalt nach wie vor als Kanzlerkandidaten ins Spiel bringen, sich nicht mit seiner Beraterfunktion für die CDU abfinden können.

Ein bisschen ging es dann in Potsdam schon auch um Köpfe. Die neue Chefin und ihr Generalsekretär Paul Ziemiak waren bemüht, die Klausur als Neuanfang zu beschreiben: eine Ära endet, gute Atmosphäre, neue Gesichter. Der Tenor aber lautete: Zurück zur Sacharbeit. 2018 war ein aufreibendes Jahr für die CDU: Die Nachwehen der verlorenen zehn Prozent bei der Bundestagswahl, die mühsamen Koalitionsverhandlungen, die Wahlen in Bayern, die manche in der Schwesterpartei verbal rotieren ließen. Und zuletzt dann der Rückzug von Angela Merkel als CDU-Chefin - damit sollte letztlich auch die ewige Debatte um die Parteivorsitzende enden, die die Partei nach außen hin zerstritten wirken ließ. Dass sie sich nach dem Wettbewerb und der Wahl um ihre Nachfolge weiterzieht, war wohl nicht der Plan. 2019 könnte die CDU jedenfalls internen Frieden gut gebrauchen: Denn neben den Europawahlen stehen vier entscheidende in Bremen und den neuen Bundesländern an. Dazu arbeite man bereits an einem neuen Grundsatzprogramm und will drei inhaltliche Schwerpunkte in diesem Jahr hervorheben: Wirtschaft, Sicherheit und Folgen des Mauerfalls auf, der sich in diesem Jahr zum 30. Mal jährt. Im Osten kämen jetzt die Generationen nach und nach in Rente, die von gebrochenen Erwerbsbiografien nach der Wende betroffen seien, erklärte Kramp-Karrenbauer. Für sie soll es künftig eine Grundrente geben, die über der Grundsicherung liegen wird. Ein Versprechen, das auch mit Blick auf die anstehenden Wahlen zu erklären ist: Im September wählen Sachsen und Brandenburg, Thüringen folgt Ende Oktober. In allen drei Ländern will die AfD künftig das Sagen haben, kommt in den Umfragen den Christdemokraten gefährlich nahe. Spekulationen über Koalitionen mit der rechten AfD oder der Linkspartei erteilte sie in Potsdam eine Absage, dazu gibt es einen Beschluss vom Bundesparteitag, der sei "ganz eindeutig".

 

Abgrenzung von Merkel

Ein weiteres Versprechen - das sich vor allem an Merkel-Kritiker und Merz-Anhänger richtet - sind Werkstattgespräche zur Flüchtlingspolitik. Die CDU will sich mit dem Alltag und der Praxis in diesem Bereich beschäftigen, kündige Kramp-Karrenbauer an. Man werde sich die "Wirkungskette ansehen und herausfiltern, was funktioniert und was nicht". Mit diesem Vorstoß setzt sie sich auch von der Kanzlerin ab, mit der sie Kritiker immer wieder gleichsetzen wollen. Zwar entschied sich Merkel in den vergangenen Jahren für eine restriktivere Politik, forderte aber auf dem Landesparteitag der CDU Thüringen im Oktober ein Ende der immerwährenden Debatte über die Flüchtlingskrise. Sie erkenne an, dass nicht alle Probleme in der Migrationspolitik gelöst seien, seit 2015 seien aber große Fortschritte gemacht worden, sagte sie damals. Ihre Nachfolgerin und damals noch Generalsekretärin warnte kurze Zeit später davon, dass "Migration" nicht wie bei den Sozialdemokraten "unser Hartz-IV" werden dürfe - bis heute hadert die SPD über die innerparteiliche Reform aus der Ära Gerhard Schröder. Nun soll also eine Generalaussprache zum Thema folgen, wie AKK auch zuvor schon in der Zuvor kündigte sie in der Süddeutschen Zeitung ankündigte. Ob Merkel dann ebenfalls anwesend sein wird, wollte ihre Nachfolgerin nicht kommentieren: "Es gibt noch eine Feinabstimmung."

Neuanfang mit CSU

Einen Neuanfang plant die CDU-Chefin auch mit der bayerischen Schwesterpartei CSU. Deren Zusammenarbeit stand nach dem Streit um die künftige Migrationspolitik der Bundesregierung im Frühsommer 2018 kurzzeitig auf der Kippe. Ein Kompromiss rettete das Bündnis, allerdings nicht das zerrüttete Verhältnis zwischen den Spitzen Angela Merkel und Horst Seehofer. Knapp ein halbes Jahr später deutet sich ein Ende der Eiszeit an. Nach dem Jahreswechsel stattete Kramp-Karrenbauer den CSU-Politikern im tief verschneiten Bayern einen Besuch ab. Im Kloster Seeon, wo sie Klausur abhielten, suchte sie den Schulterschluss. Für die Europawahl wolle man gemeinsam ins Feld ziehen und zusammen an einem Wahlprogramm arbeiten. Ein erster Schritt: Die CDU-Vertreter wählten CSU-Politiker Manfred Weber einstimmig zum Spitzenkandidaten - ein Novum in der gemeinsamen Geschichte der Schwesterparteien. Den Bayern dürfte der neue Frieden nach dem turbulenten Jahr vermutlich ganz recht sein.