Politik/Ausland

"Folterlager": Israelische NGO kritisiert Israels Gefängnisse

Eine Menschenrechtsorganisation wirft Israel systematische Folter palästinensischer Häftlinge in seinen Gefängnissen vor. Die israelische Organisation B'Tselem hat in einem Bericht unter dem Titel "Willkommen in der Hölle" Zeugenaussagen von 55 palästinensischen Ex-Häftlingen gesammelt. Diese beschreiben teilweise schwere Misshandlungen und Gewalt. Laut B'Tselem wurden zuletzt mehr als 9.600 Palästinenser festgehalten, etwa die Hälfte davon ohne offizielle Anklage.

Auch das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) hat Ende Juli einen Bericht veröffentlicht, in dem es Israel Folter gegen eine Reihe von Häftlingen vorwirft. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk hatte bei der Vorstellung des Berichts unter anderem von Waterboarding und dem Loslassen von Hunden auf Häftlinge gesprochen. Den Inhaftierten sei meist kein Grund für ihre Festnahme gegeben oder kein Zugang zu Anwälten gewährt worden. Das UNO-Menschenrechtsbüro hatte zuletzt mitgeteilt, mindestens 53 Menschen seien in israelischem Gewahrsam ums Leben gekommen.

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Organisation spricht von "Folterlager"

"Die Zeugenaussagen zeigen die Ergebnisse der hastigen Umwandlung von mehr als einem Dutzend Gefängniseinrichtungen - militärisch und zivil - in ein Netzwerk von Lagern, die dem gezielten Missbrauch von Insassen dienen", schrieb B'Tselem in dem Bericht. "Einrichtungen, in denen jeder Insasse absichtlich schwerem, unablässigem Schmerz und Leid ausgesetzt ist, funktionieren de facto als Folterlager."

"Der Missbrauch, der in Zeugenaussagen von Dutzenden von Individuen übereinstimmend beschrieben wird, die in verschiedenen Einrichtungen festgehalten wurden, war so systematisch, dass es sich zweifellos um eine organisierte, erklärte Politik der israelischen Gefängnisbehörde handelt", schrieb B'Tselem.

Diese Politik sei unter Anweisung des rechtsextremen Polizeiministers Itamar Ben-Gvir und mit voller Unterstützung der israelischen Regierung und des Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu umgesetzt worden.

Der beispiellose Terrorangriff der islamistischen Hamas und anderer palästinensischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober habe die israelische Gesellschaft zutiefst traumatisiert und "tief sitzende Ängste und einen Racheinstinkt bei vielen geweckt", schrieb B'Tselem. Die rechtsreligiöse Regierung habe dies genutzt, um "ihre rassistische Ideologie stärker umzusetzen, indem sie die Unterdrückungsmechanismen einsetzten, die ihnen zur Verfügung stehen".

B'Tselem ist eine über Spenden finanzierte israelische Menschenrechtsgruppe, die sich gegen die Besatzung der palästinensischen Gebiete und für gleiche Rechte für Juden und Palästinenser einsetzt.

Israel: "Vorwürfe entbehren jeglicher Basis"

Ein israelischer Armeesprecher sagte, man prüfe die Vorwürfe. Eine Sprecherin der israelischen Gefängnisbehörde sagte, alle Häftlinge würden in Übereinstimmung mit dem Gesetz festgehalten und ihre grundlegenden Rechte gewahrt. 

Die Vorwürfe von B'Tselem seien der Behörde nicht offiziell übermittelt worden, "und nach unserem Wissen entbehren sie jeglicher Basis". Sie erinnerte gleichzeitig daran, dass seit Beginn des Gaza-Kriegs vor zehn Monaten die Haftbedingungen sogenannter Sicherheitshäftlinge auf Anweisung von Ben-Gvir verschärft worden seien.

Das israelische Militär ermittelt gegenwärtig zu Vorwürfen wegen schwerer sexueller Misshandlung eines palästinensischen Terroristen durch Soldaten in dem Militärlager Sde Teiman im Süden Israels.

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Proteste im Westjordanland

Im Westjordanland sind zuletzt hunderte Menschen gegen die Haftbedingungen von Palästinensern in israelischen Gefängnissen auf die Straße gegangen. Bei Demonstrationen in Ramallah und Nablus hielten Angehörige Bilder von Häftlingen in die Höhe und schwenkten Palästinenserflaggen. In Ramallah riefen die Protestierenden die Parole "Auch wenn sich die ganze Welt unterwirft, werden wir Israel nie anerkennen".

Latifa Abu Hamid, nach eigenen Angaben Mutter von vier zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilten Häftlingen, sagte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP, sie habe seit zehn Monaten nichts von ihren Söhnen gehört. "Wir wollen nach ihnen sehen und sie besuchen. Wir wollen ihre Lage kennen... Wir wollen unsere Söhne", fügte sie an.

Seit dem Großangriff der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas am 7. Oktober wurden laut OHCHR tausende Palästinenser aus dem Gazastreifen nach Israel gebracht, "normalerweise gefesselt und mit verbundenen Augen".

Der Krieg im Gazastreifen dauert mittlerweile seit mehr als neun Monaten an. Ausgelöst wurde er durch den beispiellosen Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel, bei dem israelischen Angaben zufolge 1.197 Menschen getötet worden waren. Israel geht seitdem massiv gegen Ziele in dem Palästinensergebiet vor. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mehr als 39.550 Menschen getötet. Ob es sich dabei um Zivilisten oder Hamas-Kämpfer handelt, wird nicht mitgeteilt.