Mitarbeiter wollen irregeleiteten Donald Trump „neutralisieren“
Von Dirk Hautkapp
Die „New York Times“ veröffentlicht Enthüllungen eines Anonymus aus dem Weißen Haus. Die zeitliche Nähe fiel sofort auf. Kaum hatte Donald Trump das neue Enthüllungsbuch von Watergate-Legende Bob Woodward über das von „Chaos“ und „Intrigen“ gebeutelte Weiße Haus als „pure Fiktion“ abgekanzelt, da wurde in der New York Times spektakulärer Widerspruch laut. In einem anonymen Meinungsbeitrag hat ein hochrangiger Regierungsangestellter dort beschrieben, wie innerhalb der Administration nach Kräften ein „amoralischer“ Präsident sabotiert wird, um Schaden von Amerika abzuwenden.
„Viele der führenden Offiziellen“ arbeiteten „fleißig von innen daran“, Teile der Trump’schen Agenda „und seine schlimmsten Neigungen zu entschärfen“, schrieb der Autor. „Ich weiß das, denn ich bin einer von ihnen.“
Trump reagierte mit „vulkanischer Wut“ ( Washington Post). Er warf seiner Heimatzeitung, mit der ihn eine jahrelange Hassliebe verbindet und die uneinholbar führend bei der Aufdeckung von Skandalen rund um Trump ist – sie engagierte eigene Rechercheteams –, die Begünstigung von „Hochverrat“ vor. Trump verlangte die „Auslieferung“ des Autors „an die Regierung“, falls dieser denn „wirklich existiert“.
Jagd auf Verräter
Unmittelbar nach Veröffentlichung des Textes setzte im Weißen Haus die Jagd nach dem je nach Standpunkt als „Held“ oder „Nestbeschmutzer“ bezeichneten Autor ein. Das Klima sei jedenfalls hoffnungslos vergiftet“, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter dem KURIER.
Weil das Wort „Leitstern“ in der Philippika vorkommt, geriet Vizepräsident Mike Pence unter Verdacht – er hatte den Terminus in vielen Reden benutzt. Auch Außenminister Mike Pompeo und Geheimdienstkoordinator Dan Coats wurden als Urheber gehandelt. Sie ließen allesamt vehement dementieren.
Für sich und seine Mitstreiter nimmt der Anonymus in Anspruch, die „demokratischen Institutionen zu schützen“. Es gehe darum, den von „irregeleiteten Impulsen“ gesteuerten Präsidenten so gut es geht zu neutralisieren – bis er nicht mehr im Amt ist.
Trump sei „unüberlegt, konfliktsüchtig, kleinkariert und ineffektiv“. Sein Charakter bringe „halbgare, schlecht informierte und zuweilen rücksichtslose Entscheidungen“ hervor, die später mit hohem Aufwand eingefangen werden müssten.
Erfolge wie die Steuerreform seien nicht wegen, sondern trotz Trump geschafft worden, betont der Autor. Trumps Wesen schade der „Gesundheit der Republik“. Darum versuchten die „Erwachsenen im Raum“ zu tun, „was richtig ist, auch wenn der Präsident dem entgegensteht.“
Wie ernst die Lage sei, ergibt sich nach Angaben des Verfassers dadurch, dass im Kabinett schon kurz nach Amtsantritt im Jänner 2017 erwogen worden sei, den Präsidenten für amtsunfähig zu erklären und nach dem 25. Verfassungszusatz abzulösen. Aus Sorge vor einer „Verfassungskrise“ habe man verzichtet.
Erwachte „Schläfer“
Die Aussicht auf eine mögliche Palast-Revolution hat Trump verunsichert und noch trotziger gemacht. „Ich trockne den Sumpf aus und der Sumpf versucht, sich zu wehren“, schrieb er auf Twitter, „keine Angst, wir werden gewinnen!“. Unter Mitarbeitern im Weißen Haus fand dagegen diese SMS via Handy zügige Verbreitung: „Die Schläferzellen sind aufgewacht.“