Milliardenteurer Wildwuchs bei den Agenturen der EU
Die Nettozahler der EU machen Druck: Für ihre Zustimmung zum milliardenschweren EU-Budget drängen sie auf weitere Einsparungen bei Administration und Bürokratie. Ein Potenzial sind nicht nur hohe Beamtengehälter sowie großzügige Pensions- und Spesenregelungen. Großbritannien und andere Mitglieder, wie Estland mit der sparsamsten Verwaltung in der EU, wollen den Wildwuchs der vielen EU-Agenturen (siehe unten) eindämmen.
Breite Palette
Die Themen, denen die EU- Behörden nachgehen, sind vielfältig: Nahrungsmittel-Kontrolle, Drogen, Prävention von Krankheiten, Flugsicherheit, Eisenbahnwesen, Umweltschutz, Fusionsenergie und Grundrechte – das sind nur einige Beispiele.
Sehr oft arbeiten die Agenturen im Verborgenen, äußern sich nicht zu aktuellen Ereignissen, wie etwa der Zunahme von rassistischen und antisemitischen Übergriffen in manchen Staaten. Das wäre Aufgabe der Grundrechte-Agentur in Wien. Ein Problem sind auch inhaltliche Überschneidungen: Bis zu sieben Agenturen widmen sich der Lebens- und Arbeitssituation von Menschen.
In Sparzeiten und nötiger Effizienzkontrolle schlägt der parteifreie Europa-Abgeordnete Martin Ehrenhauser vor, Agenturen zu schließen oder zu fusionieren. „Das würde jährlich rund 180 Millionen Euro an Einsparungen bringen“, sagt er dem KURIER. Seit Jahren setzt er sich kritisch mit den Agenturen auseinander und schlägt in seinem Buch ( „Die heimliche zweite EU-Bürokratie“ ) Lösungen vor. Er plädiert für unabhängige Erfolgsanalysen, für einen Standortkatalog, für einen transparenten Nominierungsprozess der Agentur-Direktoren sowie für ein Leistungsranking.
Rechnungshof-Kritik
Was macht die Agentur in meinem Land?, fragen sich viele Bürger. Das prüft auch jährlich der Europäische Rechnungshof und kommt zu einem kritischen Befund: „Es gibt ein Missmanagement bei den Finanzen, die Hälfte der Agenturen kann die Ausgaben nur unzureichend belegen“, heißt es im Bericht vom Februar 2012. Beanstandet werden auch die überdimensionierten Verwaltungsräte. Unverblümt schreiben die Prüfer, dass es bei Agenturen oft nur um „ein nationales Prestige-Objekt“ gehe, um einen Wettbewerb zwischen Regierungen, wer welche EU-Einrichtung erhält.
Erinnert sei an den Streit zwischen Berlusconi und der finnischen Regierung über den Sitz der Nahrungsmittel-Agentur. Berlusconi warf den Finnen vor, nichts von gutem Essen zu verstehen. Die Nahrungsmittel-Agentur kam nach Parma, in Helsinki wurde das EU-Amt für chemische Stoffe angesiedelt.
Offenbar aus Mangel an Rechtfertigungsgründen für die Agenturen gibt die Vertretung der EU-Kommission in Wien nicht die Budget- und Mitarbeiterzahlen über die Agenturen heraus. Das Europäische Parlament, das die EU-Stellen kritisch beobachtet, kommuniziert offener.
Im Gegensatz zu vielen Abgeordneten, die eine Abschaffung der Agenturen fordern, verlangt die Grün-Abgeordnete Ulrike Lunacek „ein genaueres Mandat für die Arbeit der Agenturen und mehr Kontrolle“.
Interessenskonflikte
Der EU-Rechnungshof stellte unzumutbare Interessenskonflikte etwa bei der Nahrungsmittel-Agentur fest. Mächtige Konzerne beeinflussten die Arbeit. In London wechselte der Direktor der Arzneimittel-Agentur direkt in die Pharma-Industrie, deren Produkte er zuvor zugelassen hatte.
1,8 Milliarden Euro kosten EU-Agenturen
Zahl der Agenturen
Der EU-Haushaltsplan 2012 weist 42 Agenturen aus.
Kosten
1,8 Milliarden Euro für 2012
Zahl der Mitarbeiter
6300 plus Verwaltungsräte; sie bekommen für Sitzungen Spesen.
Sitz
Jedes Mitgliedsland hat mindestens eine Agentur. In Wien ist die EU-Grundrechte-Agentur angesiedelt. Entlegen auf Kreta arbeitet die Agentur für Netz- und Informationssicherheit.