Politik/Ausland

Militärexperte warnt vor "Implosion" des Systems in der Ukraine

Der Vorsitzende der Politisch-Militärischen Gesellschaft, Ralph D. Thiele, warnt vor einer "Implosion" des Systems in der Ukraine. Dies betreffe "ganz viele Dimensionen" des im Krieg befindlichen Landes. Ein "Kickstart" und eine politische Strategie seien nötig, um diese zu verhindern.

Die Soldaten seien erschöpft, der Munitionsmangel dramatisch, weder für einen Angriff noch für die Verteidigung stehe genug Munition zur Verfügung. Außerdem sieht der deutsche Militärexperte einen allgemeinen systemischen Mangel in der Ukraine.

Wie auch der Westen, war die Ukraine nicht auf einen großen Krieg vorbereitet, jetzt werde sie nur "stückchenweise" vom Westen unterstützt. So lasse sich kein Krieg führen, warnte Thiele.

Wirtschaftlich wird es eng für die Ukraine

Auch wirtschaftlich werde es für die Ukraine zunehmend eng, die Unterstützung des Westens sei "viel zu langsam". "In den USA wurde eine weitere Schicht in der Munitionsfertigung eingeführt. In der Produktion bleiben sie dennoch hinter Russland zurück. In der EU beginnt man erst jetzt, sich dem Munitionsthema zu widmen, und die Auswirkungen einer verstärkten Produktion wird man frühestens in einem Jahr spüren. Das ist viel zu lang für ein Land, das jetzt gerade größte Probleme an der Front hat." 

Zudem gingen in der Ukraine gut ausgebildete Spezialkräfte als Hilfstruppen an der Front zugrunde. Menschen würden für eine fragwürdige Symbolik sterben. In der Ukraine stelle sich für Teile der Bevölkerung durchaus die Frage, ob die derzeitige politische Führung noch die richtige sei.

Welche Lösung der Militärexperte für die Ukraine sieht

Eine Lösung der Misere sei nur durch einen "Kickstart" möglich, erklärt Thiele. 

Um eine Implosion zu verhindern, sollten die EU und Deutschland nicht nur Diskussionen über Kriegsmittel führen, sondern über eine "politische Strategie" Ziele, Wege und Mittel des weiteren Vorgehens bestimmen. Dies brauche zwar Zeit, sei aber "unumgänglich". Teil einer solchen Strategie wäre etwa die Änderung der Kreditverfahren und Verträge für mittelständische Rüstungsunternehmen auf EU-Ebene.

"Die mangelnde Strategie zu Beginn des Konflikts rächt sich jetzt. Anfangs war meine Empfehlung, Wirtschaft und Streitkräfte in Deutschland, der EU und der NATO stark zu machen. Aber Wirtschaft und Bundeswehr stehen heute schlechter da als damals. Wie sollen wir damit (Russlands Staatschef Wladimir) Putin beeindrucken?", fragt der Militärexperte.

"Die Menschen vor Ort, und nicht nur die Soldaten, sind müde und traumatisiert. Da kann man doch nicht einfach ein paar Taurus Marschflugkörper an die Front schicken und schulterzuckend meinen, dass wir uns ja Mühe geben, aber mehr eben nicht geht", schließt Thiele seine Ausführungen. Die Regierungskoalition in Deutschland streitet bereits seit Längerem über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt dies bisher ab.