Politik/Ausland

Merkel über Russland: "Haben nicht genug für Abschreckung getan"

Am 2. Dezember 2021 endete in Deutschland eine Ära - die Ära Merkel. Nach 16 Jahren als Bundeskanzlerin zog sich die damals 67-Jährige aus der Politik zurück. Rund um den ersten Jahrestag ihres Abschieds gab Merkel einigen ausgesuchten Medien Interviews, in denen sie auf ihre Zeit als Regierungschefin zurückschaut. 

In der Wochenzeitung "Die Zeit" zog die frühere CDU-Chefin nun ein kritisches Resümee der deutschen - und damit ihrer eigenen - Politik gegenüber Russland und Wladimir Putin. Diesem hatte sie bereits 2007 attestiert, dass die einzige Sprache, die er verstehe, die der Härte sei. 

Diese Härte habe im Vorfeld des Ukraine-Krieges womöglich gefehlt, räumt Merkel im Interview ein.

Mit Blick auf den NATO-Doppelbeschluss, der 1979 im Kalten Krieg mit der Sowjetunion Aufrüstung und Rüstungskontrolle verband, sagte sie:

"Das Intelligente (...)  war eben die doppelte Herangehensweise mit Nachrüstung und Diplomatie. Übertragen auf das Zwei-Prozent-Ziel (alle NATO-Staaten sollen zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung ausgeben, Anm.) heißt das, dass wir für die Abschreckung durch höhere Verteidigungsausgaben nicht genug getan haben."

"Heißt nicht, dass Versuche falsch waren"

Grundsätzlich stellt Merkel ihre Russland-Politik aber nicht in Frage. "Ich komme zu dem Ergebnis, dass ich meine damaligen Entscheidungen in einer auch heute für mich nachvollziehbaren Weise getroffen habe", sagt sie über den Minsker-Friedensprozess über die Zukunft der von pro-russischen Rebellen besetzten Ostukraine.

"Es war der Versuch, genau einen solchen Krieg zu verhindern. Dass das nicht gelungen ist, heißt noch nicht, dass die Versuche deshalb falsch waren."

Es sei auch nicht falsch gewesen, trotz aller Bedenken gegen Putin in Europa weiter auf russisches Gas zu setzen und die Geschäftsbeziehungen durch den Bau von Nord Stream 2 sogar noch zu vertiefen. 

Die Gaspipeline durch die Ostsee nicht zu genehmigen, hätte "in Kombination mit dem Minsker Abkommen aus meiner Sicht das Klima mit Russland gefährlich verschlechtert", sagt Merkel dazu. "Zum anderen ist die energiepolitische Abhängigkeit entstanden, weil es weniger Gas aus den Niederlanden, aus Großbritannien und begrenzte Fördermengen in Norwegen gab."

Würde Merkel vermitteln?

Wie der Ukraine-Krieg enden könnte, weiß Merkel nicht, wie sie zugibt. Er werde wie alle Kriege am Verhandlungstisch zu Ende gehen, meint die Ex-Kanzler.

Auf die Frage der "Zeit"-Redakteure, ob es völlig ausgeschlossen sei, dass sie selbst dabei eine Rolle spiele, sagt sie: "Diese Frage stellt sich nicht."