Mächtigster Job der EU: Neuer Präsident der Kommission gesucht
Frans Timmermans? – Den meisten Österreichern ist der umtriebige EU-Vize-Kommissionschef so gut wie unbekannt. Der sieben-sprachige Niederländer geht als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten in die EU-Wahl. Da steht es um den Bekanntheitsgrad Manfred Webers schon ein wenig besser. Den Bayern, der Präsident der nächsten EU-Kommission werden will, hat man schon des Öfteren an der Seite von Kanzler Sebastian Kurz gesehen. Aber dass Weber als Spitzenkandidat für die Europäische Volkspartei (EVP) durch die Lande zieht, das weiß auch nur ein Teil der heimischen Wähler.
„Nur eine sehr kleine Minderheit in Österreich hat je von den europäischen Spitzenkandidaten gehört“, schildert Stefan Lehne. Einen Grund dafür sieht der Europaexperte (Carnegie Europe) und frühere Spitzendiplomat auch bei den heimischen Parteien. „Der Wahlprozess selbst bleibt in der Hand der nationalen Parteien. Sie sehen die EU-Wahl als innenpolitisches Kräftemessen und haben wenig Neigung, den Spitzenkandidaten allzu sehr ins Spiel zu bringen.“
Dabei steht doch fest: Wer Ende Mai für einen ÖVP-Kandidaten stimmt, wählt automatisch Weber mit. Eine Stimme für einen heimischen SPÖ-Kandidaten ist auch eine Stimme für den europäischen SP-Spitzenkandidaten Timmermans.
So schicken fast alle europäischen Parteienfamilien einen oder mehrere Spitzenkandidaten ins Rennen. Nur die Rechtspopulisten der ENF (Europa der Nationen und Freiheit), der auch die FPÖ angehört, entschieden sich dagegen. Einen offiziellen Spitzenkandidaten wollte man nicht. Stattdessen soll, wie FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky sagt, Matteo Salvini „das Gesicht der Kampagne“ sein. Und Italiens rechtspopulistischer Innenminister und Lega-Chef frohlockt: Seiner Lega werden die größten Stimmengewinne aller europäischen Parteien prognostiziert.
Junckers Nachfolger
„Aber bei der Wahl des nächsten Kommissionschefs werden die Rechtsnationalisten dennoch keine große Rolle spielen“, ist Lehne überzeugt. Denn dies werden vermutlich die drei Fraktionen der EVP, der Sozialdemokraten und der Liberalen (ALDE) unter sich ausmachen. Zu dritt werden sie voraussichtlich über eine Mehrheit im EU-Parlament verfügen – ein Spitzenkandidat aus ihren Reihen kann dann zum Nachfolger von Jean-Claude Juncker gewählt werden. Oder zur Nachfolgerin: Zum allerersten Mal in der Geschichte der EU gibt es Chancen, dass eine Frau an die oberste Spitze der EU rückt – EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.
Wird es einen großen Unterschied machen, wer ab Herbst im Chefbüro des 13. Stocks im Brüsseler Berlaymont-Gebäude sitzt? Der Präsident der EU-Kommission sei schließlich, wie Stefan Lehne klarstellt, „kein Regierungschef Europas, der seine eigene Agenda durchdrückt“. Aber der Kommissionspräsident könne den Gang der europäischen Politik schon wesentlich mitbestimmen – „das hängt aber von der jeweiligen Person ab: Jacques Delors war so eine wichtige Person, Jose Manuel Barroso war es eben nicht.“
Wie sehr ein Präsident eine Linie vorgeben kann, hängt davon ab, wie gut er arbeitet, wie vernetzt er ist und wie gut er mit den wichtigsten Staaten zusammenarbeiten kann. „Juncker hat sich schwerergetan, eine klare Linie vorzulegen“, meint Lehne, „weil immer Sperrfeuer aus verschiedenen Richtungen gekommen ist.“ Dass dies für den neuen Kommissionschef anders wird, darf bezweifelt werden.