Nach Wahl in Venezuela: Opposition ruft erneut zu Protesten auf
Die Proklamation von Amtsinhaber Nicolás Maduro zum Sieger der Präsidentschaftswahl in Venezuela hat international Zweifel und landesweit Proteste mit teils heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften ausgelöst. Nach Angaben des Chefs der Nichtregierungsorganisation Foro Penal, Alfredo Romero, am Montag im Onlinedienst X ist dabei ein Mensch getötet worden, 46 weitere wurden festgenommen.
Am Dienstag hat die Opposition erneut zu Protesten aufgerufen. "Liebe Venezolaner, morgen versammeln wir uns (...), um unsere Entschlossenheit zu demonstrieren, jede Stimme zu nutzen und die Wahrheit zu verteidigen", appellierte Oppositionsführerin Maria Corina Machado am Dienstag. Am Montag war es bei Protesten in mehreren Städten zu Ausschreitungen gekommen.
Im Fernsehen war zu sehen, wie Polizisten Tränengas einsetzen und vereinzelt auf Menschen einschlagen. Außerdem wurden Schüsse auf Demonstranten abgegeben, wie die Zeitung El Nacional berichtete und in einem Video zu sehen war.
Die Demonstranten waren zum Präsidentenpalast in der Hauptstadt Caracas gezogen. Bei den Schützen könnte es sich um sogenannte Colectivos handeln - regierungsnahe paramilitärische Gruppen, die die Agenda der Regierung mit Gewalt durchsetzen. Das Video zeigt, wie Polizisten beim Angriff auf die Demonstranten nicht eingreifen, um diesen zu verhindern.
Proteste und internationaler Zweifel an Rechtmäßigkeit
In Caracas und anderen Städten des Landes gingen zahlreiche Menschen auf die Straße, um gegen das offizielle Wahlergebnis und den angeblichen Sieg des seit 2013 regierenden Präsidenten Nicolás Maduro zu protestieren. Sie schlugen Töpfe und Pfannen gegeneinander, um ihrem Unmut lautstark Luft zu machen - dieser sogenannte Cacerolazo ist eine in Lateinamerika sehr populäre Form des Protests. "Freiheit!" und "Betrug!" riefen viele der Demonstranten.
Unterdessen forderte neben vielen lateinamerikanischen Staaten auch UNO-Generalsekretär António Guterres "absolute Transparenz". Die regierungstreuen Wahlbehörde erklärte dessen ungeachtet Maduro am Montag offiziell zum Wahlsieger. Dieser sprach angesichts von Betrugsvorwürfen der Opposition von einem "versuchten Staatsstreich".
Die Bevölkerung des Landes habe Maduro mehrheitlich "für den Zeitraum von 2025 bis 2031" als Präsidenten wiedergewählt, sagte der Chef der nationalen Wahlbehörde, Elvis Amoroso. Schon zuvor hatte die Behörde den seit 2013 linksautoritär regierenden Maduro nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen mit 51,2 Prozent zum Wahlsieger erklärt. Der aussichtsreichste Oppositionskandidat Edmundo González Urrutia kam den Angaben zufolge auf 44,2 Prozent.
Vorwurf "Staatsstreich"
Allerdings reklamierte auch die Opposition den Wahlsieg für sich. Oppositionsführerin María Corina Machado sagte vor Journalisten, das Land habe "einen neuen designierten Präsidenten", nämlich den von ihrem Bündnis vorgeschlagenen González Urrutia. Dieser habe 70 Prozent der Stimmen erhalten und nicht 44 Prozent. Das von der Wahlbehörde ausgegebene Ergebnis sei ein "weiterer Betrug". Die Opposition könne den Sieg ihres Kandidaten "beweisen", man habe Zugriff auf mehr als 70 Prozent der Ergebnislisten aus den Wahllokalen.
Angesichts der Betrugsvorwürfe warf Maduro der Opposition einen "Staatsstreich" vor. "Es wird versucht, einen faschistischen und konterrevolutionären Staatsstreich in Venezuela durchzusetzen", sagte er bei der offiziellen Verkündung seiner erneuten Präsidentschaft durch die Wahlbehörde. Schon wenige Minuten nach Bekanntwerden der ersten Wahlergebnisse hatte der Amtsinhaber am Präsidentenpalast in der Hauptstadt Caracas zu seinen Anhängern gesprochen und "Frieden, Stabilität und Gerechtigkeit" angekündigt.
Gleichzeitig berichteten Mitarbeiter María Corina Machados von einem Versuch der Sicherheitskräfte, in die argentinische Botschaft in Caracas einzudringen, in der sich sechs Oppositionelle aufhalten. "In diesem Moment versuchen Sicherheitskräfte, die Residenz der argentinischen Botschaft in Caracas zu stürmen, in der sich die sechs Asylbewerber der Kampagne von Machado und Edmundo Gonzalez befinden", schrieb einer der sechs Oppositionellen, Pedro Urruchurtu, auf dem Kurznachrichtendienst X. Die Mitarbeiter hatten im März Zuflucht in der argentinischen Botschaft in Caracas gesucht, um einer Verhaftung wegen angeblicher Verschwörung zu entgehen.
Kritik und Zweifel am Wahlergebnis wurden auch im Ausland laut: "Wir haben die Ankündigung der Wahlbehörden sowie die Bedenken, die von politischen Akteuren und Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft geäußert wurden, zur Kenntnis genommen", erklärte der Sprecher von UNO-Generalsekretär Guterres, Stéphane Dujarric. Der Generalsekretär rufe zu "vollständiger Transparenz" auf, zudem müssten die Wahlergebnisse nach Wahllokalen aufgeschlüsselt veröffentlicht werden. Ähnlich äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Nachbarstaaten fordern Aufklärung
In einer gemeinsamen Erklärung riefen die lateinamerikanischen Länder Argentinien, Costa Rica, Ecuador, Guatemala, Panama, Paraguay, Peru, die Dominikanische Republik und Uruguay zu einer "vollständigen Überprüfung der Ergebnisse in Anwesenheit unabhängiger Wahlbeobachter" auf. Panama kündigte zudem an, Diplomaten aus Venezuela abzuziehen.
Venezuela kündigte umgehend an, sein gesamtes diplomatisches Personal aus den meisten dieser Staaten abzuziehen. Venezuela weise "die Einmischung und die Erklärungen einer Gruppe rechter Regierungen" auf das Schärfste zurück, teilte Venezuelas Außenminister Yvan Gil auf der Plattform X mit. Venezuela verlange außerdem von diesen Regierungen den sofortigen Abzug ihrer Vertreter auf venezolanischem Staatsgebiet. Bei den Ländern handelt es sich um Argentinien, Chile, Costa Rica, Peru, Panama, die Dominikanischen Republik und Uruguay.
Dagegen erklärte der mexikanische Präsident, Andrés Manuel López Obrador, das Ergebnis in Venezuela anerkennen zu wollen. Auch Maduros Verbündete Russland, China und Kuba brachten ebenso wie Nicaragua, Bolivien und Honduras ihre Glückwünsche zum Ausdruck.
Vor der Wahl am Sonntag hatten mehrere Umfragen einen Sieg der Opposition prognostiziert. Beobachter gingen allerdings schon vor der Abstimmung nicht davon aus, dass die Wahl frei und fair ablaufen würde.