Politik/Ausland

London-Terror: Dritter Verdächtiger identifiziert

Die Polizei hat den dritten Angreifer identifiziert, der an dem Anschlag am Samstagabend mit mindestens sieben Toten und Dutzenden Verletzten beteiligt war. Dabei handle es sich um einen 22-Jährigen mit marokkanischem Vater und italienischer Mutter, berichteten italienische Medien am Dienstag.

Im März 2016 war Youssef Zaghba auf dem Flughafen von Bologna aufgehalten worden, der Stadt, aus der seine Mutter stammt. Er wollte in die Türkei fliegen, um von dort Syrien zu erreichen. Er war damals wegen internationalem Terrorismus angeklagt, aber freigesprochen worden. Seitdem stand er auf den Listen der gefährlichen Personen. Zuletzt arbeitete er in einem Londoner Restaurant und hatte weiterhin Kontakt zu seiner Mutter in Bologna.

Imame verweigern Terroristen von London das Totengebet

Die Eltern des Verdächtigten hatten eine Zeit lang zusammen in Marokko gelebt, sich dann aber getrennt. Die Mutter war nach Bologna zurückgekehrt, Zaghba hatte sie öfters dort besucht.

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Pakistan nimmt Verwandte von Attentäter ins Visier

Die Polizei in Pakistan nimmt indes die Verwandten eines der mutmaßlichen Attentäter von London ins Visier. Dutzende Sicherheitskräfte in zivil durchsuchten einem Bericht der Zeitung "The Telegraph" zufolge am Dienstag ein Restaurant, das einem Verwandten von Khuram Butt gehört. Der Einsatz erfolgte in der Stadt Jhelam, etwa 120 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Islamabad.

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Es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme, sagte ein Offizieller, der namentlich nicht genannt wurde, dem Blatt. Zwar gingen die britischen Sicherheitsbehörden davon aus, dass der mutmaßliche Attentäter sich in Großbritannien radikalisiert habe. "Aber wir durchsuchen die Häuser aller Verwandten und verfolgen alle Telefonanrufe, die von Familienmitgliedern gemacht wurden", sagte der Sicherheitsbeamte. Die pakistanischen Behörden gingen davon aus, dass Butt in Syrien als Attentäter ausgebildet wurde, sagte er. Butt war 1990 in Pakistan geboren worden und als Kind mit seinen Eltern nach Großbritannien gekommen.

Butt ist laut britischen Medien vergangenes Jahr in einer britischen Fernsehdokumentation mit dem Titel "Die Dschihadisten von nebenan" (Channel 4) zu sehen gewesen.

VIDEO: Die entsprechende Passage ist ab Minute 14:40 zu sehen:

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Medien werfen britischen Behörden Versagen vor

Britische Medien haben den Behörden nach dem Anschlag in London Versagen vorgeworfen. "Warum haben sie den Dschihadisten aus dem Fernsehen nicht gestoppt?", titelte die Boulevard-Zeitung The Sun am Dienstag. Der Daily Mirror schrieb: "Wie zur Hölle konnte er ihnen durch die Lappen gehen?

Die Polizei erklärte, der 27-jährige Brite mit pakistanischen Wurzeln sei ihr und dem Geheimdienst MI5 bekannt gewesen, Hinweise auf Anschlagspläne habe es aber nicht gegeben.

Der konservative Daily Telegraph schrieb am Dienstag: "Während wir stolz darauf sind, eine offene und tolerante Gesellschaft zu sein, ist es schon erstaunlich, dass Leute, die solch eine Gefahr für Leib und Leben darstellen, in der Lage sind, ihre kranke Ideologie ohne Konsequenzen im Fernsehen auszubreiten." Außenminister Boris Johnson von den konservativen Tories nannte es am Dienstag in der BBC "verständlich", dass die Bevölkerung solche Fragen stelle.

Landesweite Schweigeminute

Bei einer landesweiten Schweigeminute haben unterdessen zahlreiche Menschen in Großbritannien der Opfer des Terroranschlags in London gedacht.

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In der Hauptstadt versammelten sich Trauernde bei strömenden Regen auch an einem der Tatorte, der London Bridge. Viele Menschen legten Blumen nieder, einige weinten.
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Auf vielen Gebäuden waren die Flaggen auf Halbmast. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan gedachte der sieben Toten und 48 Verletzten zusammen mit Rettungskräften. Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und der Krankenhäuser versammelten sich geschlossen vor ihren Dienststellen.

Bisher drei ausländische Opfer identifiziert

Mittlerweile wurden drei ausländische Todesopfer identifiziert. Die britische Polizei veröffentlichte am Dienstag die Mitteilung der Familie einer jungen Australierin. "Als sie in Richtung der Gefahr rannte, um Menschen auf der Brücke zu helfen, hat Kirsty leider ihr Leben verloren", hieß es darin.

Zuvor war bereits bekannt geworden, dass eine 30-jährige Kanadierin sowie ein Franzose bei der Attacke am Samstagabend getötet worden waren. Eine Britin identifizierte zudem ihren Bruder als eines der Todesopfer; dafür gab es zunächst aber keine offizielle Bestätigung.

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Am Samstagabend hatten drei Terroristen auf der London Bridge und am nahen Borough Market mindestens sieben Menschen getötet und Dutzende verletzt. Mehrere Menschen, darunter ein Spanier, werden noch vermisst. Die Terroristen wurden von Polizisten erschossen.

Es war der dritte Anschlag in Großbritannien in wenigen Monaten. Im März hatte ein Mann nahe des Parlaments in London mehrere Menschen mit einem Auto überfahren und anschließend einen Polizisten erstochen. Am 22. Mai riss ein Selbstmordattentäter nach einem Konzert der US-Sängerin Ariana Grande mindestens 20 Menschen in den Tod.

Ermittlungen: Polizei nimmt Mann in London fest

Nach dem Terroranschlag hat die Polizei in der britischen Hauptstadt einen 27-jährigen Mann festgenommen. Im Ostlondoner Stadtteil Barking durchsuchten Beamte eine Wohnung, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. Weitere Details nannten die Behörden zunächst nicht.

Die mutmaßlichen Terroristen, die bei dem Attentat am Samstagabend in der Londoner Innenstadt von Polizisten erschossen worden waren, hatten ebenfalls in Barking gelebt. Zuvor hatten die Behörden sieben Frauen und fünf Männer, die ebenfalls im Zusammenhang mit dem Anschlag festgenommen worden waren, ohne Anklage wieder freigelassen.

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Die britische Premierministerin Theresa May gerät nach dem Anschlag in London wegen Personalkürzungen bei der Polizei unter Druck. Zwei Tage vor der Unterhauswahl stand der Wahlkampf am Dienstag im Zeichen von Angriffen gegen die konservative Politikerin. Sie hatte in ihrer früheren Funktion als Innenministerin die Reduzierung um 20.000 Stellen verantwortet.

Für Aufruhr sorgte außerdem, dass mindestens einer der Angreifer vom Samstag polizeibekannt war. Weil er aber als nicht besonders gefährlich eingestuft worden war, verzichteten die unter Personalnot leidenden Sicherheitsbehörden auf eine engere Beschattung. May wehrte sich mit dem Hinweis, dass für den Anti-Terror-Kampf ausreichend Mittel bereitstünden. In Umfragen schrumpfte ihr Rückhalt im Volk zuletzt aber deutlich.

Der Blick richtete sich vor allem auf einen der drei Attentäter, die in der Nacht auf Samstag im Zentrum der britischen Hauptstadt sieben Menschen getötet hatten. Der 27-jährige Brite mit pakistanischen Wurzeln war auch dem Inlandsgeheimdienst MI5 bekannt. Über ihn wurde sogar in einer TV-Dokumentation über Jihadisten berichtet.

Unterdessen meldete die italienische Zeitung "Corriere della Sera", dass die italienischen Behörden Großbritannien vor einem der anderen beiden Attentäter gewarnt hätten. Der Mann mit einer italienischen Mutter und einem marokkanischen Vater sei 2016 in Italien an der Ausreise nach Syrien gehindert worden. Auch der dritte Attentäter hatte der Polizei zufolge Wurzeln in Marokko.

May war am Montag Fragen über die Personalkürzungen während ihrer Zeit als Innenministerin von 2010 bis 2016 ausgewichen. Sie hatte aber betont, der Anti-Terror-Kampf sei von Einsparungen ausgenommen worden und die Polizei verfüge über alle notwendigen Mittel. Labour-Chef Jeremy Corbyn kritisierte die Personalkürzungen, in denen er einen Rücktrittsgrund sieht. Die Premierministerin konterte mit dem Hinweis, dass ihr Widersacher Corbyn selbst politische Versäumnisse im Kampf gegen den Terror zu verantworten habe. So wurde Corbyn dafür kritisiert, dass er gegen Anti-Terror-Gesetze gestimmt und Zweifel an gezielten Todesschüssen auf Angreifer geäußert hatte.

Bei dem Anschlag in London erschoss die Polizei binnen acht Minuten nach dem ersten Notruf die drei Attentäter, die zunächst mit einem Transporter in Passanten auf der London Bridge gefahren waren und anschließend im Szene-Viertel Borough Market mit Messern auf Menschen losgegangen waren. Der "Islamische Staat" reklamierte die Tat für sich, bei der auch rund 50 Personen verletzt wurden. Inzwischen wurden alle in Zusammenhang mit dem Anschlag Festgenommenen wieder freigelassen. Es würde gegen niemand Anklage erhoben, teilte die Polizei am Montagabend mit. Am Sonntag waren zwölf Verdächtige festgenommen worden.

Nachdem Großbritannien binnen weniger Monate nun schon zum dritten Mal von einem Anschlag erschüttert worden war, kündigte May eine härtere Gangart im Kampf gegen den Terror an. Wie sich die jüngsten Ereignisse auf die Popularität ihrer Konservativen bei der am Donnerstag anstehenden Wahl zum Unterhaus auswirken, könnte sich schon in den noch am Dienstag erwarteten Umfragen zeigen.

In jüngsten Befragungen, die vor den Anschlägen durchgeführt wurden, war der Vorsprung der Tories auf nur noch einen Prozentpunkt zusammengeschrumpft. Das Meinungsforschungsinstitut errechnete am Dienstag, dass die Regierungspartei im Unterhaus die Mehrheit von 326 Sitzen klar verfehlen könnte. Als May im April die vorgezogenen Neuwahlen angesetzt hatte, um ihre Position vor den anstehenden Verhandlungen zum EU-Austritt ihres Landes zu stärken, hatten die Konservativen noch 330 Sitze.

Immer neue Anschläge in immer schnellerer Folge - hat das eine Gewöhnung an den Schrecken zur Folge? Wird der Terror zur Routine? Und wenn dem so ist, ist das dann ein Zeichen von Abstumpfung oder genau die richtige Anti-Terror-Strategie?

Gerade aufgestanden, erster Blick aufs Handy: Schon wieder ein Terroranschlag! Wie oft hat es diesen Moment in letzter Zeit gegeben. Die Abstände dazwischen scheinen immer kürzer zu werden. Am Sonntag gedachte Manchester mit einem Benefizkonzert der Toten des Anschlags vom 22. Mai - aber zu diesem Zeitpunkt waren in London schon wieder sieben neue Opfer zu beklagen.

"Der Blitz schlägt niemals zweimal am selben Ort ein", sagt ein Sprichwort. Doch beim Terror gilt das nicht mehr. Zweimal wurde London in den vergangenen drei Monaten getroffen, und beide Male fuhren die Täter auf einer Brücke mit Autos in eine Menschenmenge und gingen anschließend mit Messern auf Zufallsopfer los.

Die Häufung der Anschläge erzeugt ein Klima stetiger Alarmierung. "Wir werden wohl auf lange Zeit mit dem Terror leben müssen", sagte der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in seiner Reaktion auf den Anschlag von London. "Gewöhnen an ihn werden wir uns nicht." Natürlich: Man darf sich nicht daran gewöhnen. Aber tut man es nicht doch?

Nach jedem Anschlag schießt die öffentliche Erregungskurve nach oben, doch der Einbruch folgt immer schneller. Der Anschlag von Stockholm: Was geschah da noch einmal genau? Die "Pray for"-Hashtags im Internet, die Solidaritäts-Bekundungen im Stil von "Je suis Charlie" nach den Anschlägen auf das Satire-Magazin "Charlie Hebdo" - sie werden seltener, und wo es sie noch gibt, wirken sie mitunter wie Rituale. Manch einer beobachtet bei sich selbst, dass er im Freundeskreis weniger über Anschläge spricht als noch vor einiger Zeit.

Anders ist es, wenn man einen persönlichen Bezug hat. Wer zufällig an der Berliner Gedächtniskirche vorbeifährt und dann sieht, dass dort noch immer Blumen für die Opfer des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt liegen, der kann für einen Moment wieder ehrlich bewegt sein. Ähnliches gilt, wenn man eine Freundin in London hat, die zum Zeitpunkt des Anschlags in der Innenstadt unterwegs war. "Ich saß in der U-Bahn fest", schreibt sie auf WhatsApp. "Niemand durfte ein- oder aussteigen, bis die Polizei sicher war, dass wir nicht mehr in Gefahr waren." Wenn man das liest, rückt der Schrecken plötzlich näher.

Im Allgemeinen aber gilt: Die Anschlagsfrequenz der islamistischen Attentäter überfordert auch den hartgesottensten Nachrichten-Junkie. Wenn man das Leid jedes Mal richtig an sich herankommen ließe, könnte man den Alltag kaum noch bewältigen. "Ich würde das nicht Abstumpfung nennen", sagt der deutsche Psychiater Borwin Bandelow der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist eine natürliche Abwehrreaktion. Keiner muss sich deshalb als gefühllos betrachten, wenn er bei sich bemerkt, dass er da zur Tagesordnung übergeht."

Kurz innehalten, aber dann weiterleben, als wäre nichts gewesen - das entspricht der Devise, die von Politikern und Terror-Experten ausgegeben wird: "Keep calm and carry on" - ruhig bleiben und weitermachen. London ist darin besonders gut. Man nennt es dort "Blitz Spirit" - inspiriert von jener typisch englischen Mischung aus Phlegma und Todesverachtung, die die Londoner während der deutschen Bombardierung im Zweiten Weltkrieg ("The Blitz") an den Tag legten.

Am Wochenende ging ein Video um die Welt, das einen Londoner auf der Flucht vor den Attentätern zeigt - mit einem halb vollen Glas Bier in der Hand. Den Triumph, es zurückzulassen, wollte er den Terroristen anscheinend nicht gönnen. Verärgerung löste dagegen eine Schlagzeile der "New York Times" aus: "Terrorangriffe im Herzen Londons hinterlassen sechs Tote in einer noch taumelnden Nation." Taumeln? Von wegen! Viele Briten verbreiteten daraufhin in den sozialen Netzwerken Beispiele für das, was sie wirklich fertig macht: zum Beispiel Leute, die ihren Tee in der Mikrowelle erhitzen, oder Toaster, die nicht groß genug sind, um die ganze Brotscheibe gleichmäßig zu bräunen.

Das ist der britische Humor - man kann ihn nur bewundern. Aber was ist mit all jenen, denen angesichts der Morde nun mal gar nicht nach Scherzen zumute ist? Und die sich keineswegs sicher sind, ob sie ihr Verhalten nicht doch anpassen werden? Darf man das öffentlich nicht mehr sagen - aus Angst vor dem Vorwurf, man tue damit genau das, was die Terroristen erreichen wollten?

Jeder, der mit solchen Fragen hadert, kann sich sagen: Die allermeisten Menschen sind nicht so gestrickt, dass sie sofort wieder zur Tagesordnung übergehen. Sie versuchen durchaus, ihr Risiko zu minimieren. So brach der Tourismus in Tunesien nach dem Anschlag auf ein Strandhotel im Juni 2015 fast vollständig ein. In New Yorker Schuhläden waren nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eine ganze Zeit lang vor allem bequeme Treter gefragt: Es hatte sich herumgesprochen, dass man auf Pumps mit hohen Absätzen nicht so gut weglaufen kann.

Die Erfahrung lehrt aber auch etwas anderes: Mit der Zeit ebbt jeder Schock ab. Unmittelbar nach der Zerstörung des New Yorker World Trade Centers sagten viele voraus, nun sei das Zeitalter der Wolkenkratzer weltweit zu Ende. Tatsache ist: Seitdem sind noch viel höhere Gebäude entstanden.

"Menschen können sich auch an die schlimmsten Gefahrensituationen anpassen", sagt der Psychiater Bandelow. "Denken Sie an Leute, die in Gegenden mit einer sehr hohen Kriminalitätsrate leben. Da ist es einfach so, dass sie sich daran gewöhnen. Das heißt also: Selbst wenn in Deutschland noch sehr viel mehr passieren würde, würde unsere Lebensqualität - und das ist ja das Wichtigste - nicht dauerhaft sinken. Die Leute werden weiter zu Rock am Ring gehen."

Darauf deuten auch Erkenntnisse des deutschen Allensbach-Instituts hin. Die Mehrheit der Deutschen, etwa zwei Drittel, wolle ihr Verhalten nicht ändern, berichtete Allensbach-Chefin Renate Köcher im vergangenen Jahr in einem "FAZ"-Beitrag. "Insbesondere die junge Generation ist entschlossen, ihren Lebensstil und ihre Freiheitsspielräume zu verteidigen." Gleichzeitig - auch das ergab die Studie - erwarten die Bürger, dass der Staat alles tut, um den Terror zu bekämpfen. "46 Prozent fordern dezidiert eine Verstärkung der Anstrengungen."

Politiker wissen das. Deshalb entfalten sie nach einem Anschlag für gewöhnlich eine auffällige Aktivität. Die britische Premierministerin Theresa May stellte keine 24 Stunden nach dem Londoner Anschlag einen Vier-Punkte-Plan vor, der unter anderem längere Haftstrafen für Terrorverdächtige und eine stärkere Überwachung des Internets vorsieht. Der frühere Premierminister Tony Blair tat nach den schweren Anschlägen in der Londoner U-Bahn 2005 genau das gleiche: Er präsentierte sogar einen Zwölf-Punkte-Plan zur Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze.

May sprach auch davon, dass sie den radikalen Islamismus in der britischen Gesellschaft "ausrotten" wolle und die "Shoot to Kill"-Taktik der Polizei unterstütze, das Schießen in Tötungsabsicht. Unabhängig davon, was man inhaltlich dazu meint: Die Sprache des viel beschworenen "Keep calm" ist das nicht.

Der Terrorismus, so sagt der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk, sei "beliebig formbar, man kann mit ihm fast jede Maßnahme rechtfertigen". In einem Interview wies er kürzlich darauf hin, in Deutschland seien 2016 "zehn Mal mehr Menschen durch Badeunfälle als durch Terror" umgekommen.

Sehr rationalen Menschen mögen solche statistischen Vergleiche helfen. Alle anderen werden ein komisches Gefühl haben, wenn sie das nächste Mal ein Konzert besuchen, als Tourist über die London Bridge schlendern oder im Dezember den ersten Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt trinken. Die meisten werden es wohl trotzdem tun und sich von ihren Plänen nicht abbringen lassen. Aber das komische Gefühl, das wird bleiben.