Politik/Ausland

Österreicher zwischen den Fronten

Der syrische Bürgerkrieg zeigt erstmals Auswirkungen auf die UNIFIL-Truppe im Libanon. Weil die libanesische Armee zunehmend Soldaten aus dem Litani-Sperrgebiet im Süden an die syrische Grenze im Osten und im Norden des Landes verlegt, kommt es vermehrt zu Provokationen der radikal-islamischen Hisbollah gegen die UNIFIL-Friedenstruppe. Unter den 12.000 UNO-Soldaten sind auch 160 Österreicher. Erst am Dienstag verschleppten Bewaffnete vier philippinsche UN-Soldaten auf den Golan-Höhen an der der Grenze zu Syrien.

Die vom Iran gesteuerte Hisbollah (Partei Gottes) hat den Südlibanon politisch fest im Griff. Bis zum Jahr 2006 nutzte die Miliz das Grenzgebiet auch für den Terrorkrieg mit Katjuscha-Raketen gegen Israel. Nach dem Libanon-Krieg 2006 musste die Hisbollah ihre Waffen nördlich des Litani-Flusses zurückziehen. Die libanesische Armee verpflichtete sich, die Kontrolle über das Gebiet zu übernehmen. Unterstützt wird sie dabei von der UNIFIL-Truppe.

Robustes Mandat

Die Überwachung läuft arbeitsteilig. Die Checkpoints werden von libanesischen Soldaten besetzt. Gesichert werden sie von Panzern der UNIFIL. Im Gegensatz zu den UNDOF-Kameraden am Golan, die einen reinen Beobachterauftrag haben, verfügt UNIFIL über ein „robusteres“ Mandat. Daher ist die Truppe auch mit Artillerie, Kampfpanzern und modernen Artillerie-Abwehrsystemen ausgestattet. Auch ein Marineverband kommt dazu.

Jetzt kommen aber den Blauhelmen zunehmend die libanesischen Kameraden abhanden. Nach Medienberichten sind bereits 3000 libanesische Soldaten aus dem Süden abgezogen worden. Nur mehr zehn Prozent der UNIFIL-Patrouillen würden von libanesischen Soldaten begleitet. Das, so ein UNIFIL-Bericht, würde Hisbollah-Mitglieder dazu verleiten, wieder in ihre alten Stellungsräume zurückzukehren.

Die Blauhelme sehen sich neuerdings mit blockierten Wegen und zerstörten Außenposten konfrontiert. Es soll auch zu Zusammenstößen kommen. Etwa bei der Ortschaft Mais al-Jabal, wo Hisbollah-Agenten einer belgischen Patrouille den Fotoapparat und die Schlüssel des Patrouillenfahrzeuges abgenommen hatten.

Israelische Armeekreise berichten, dass in den vergangenen Wochen Hisbollah-Kämpfer mehrmals die Blauhelme im Südlibanon bei Patrouillen mit vorgehaltenen Waffen gestoppt hätten. In einigen Fällen wurden die UNIFIL-Soldaten von Hisbollah-Sympathisanten mit Steinen verjagt.

Besorgnis

Im benachbarten Israel wird die Entwicklung mit steigender Besorgnis beobachtet. An einer weiteren Eskalation sind die Israelis nicht interessiert. Die israelische Öffentlichkeit hat wenig Vertrauen in die UNO – zumal schon einige Nationen ihre Soldaten vom Golan zurückgezogen haben.

So heißt es in einem Zeitungskommentar: „Die UNO-Soldaten scheinen sich nun im Südlibanon genauso zurückziehen zu wollen, wie sie es auf den Golanhöhen aus Angst um ihr Leben bereits getan haben. Israel steht immer wieder vor der Situation, dass es sich in Notsituationen nicht auf die Truppen der Vereinten Nationen verlassen kann.“

Im österreichischen Verteidigungsministerium wird die Entwicklung im Libanon und auf dem Golan sehr genau beobachtet, denn 160 österreichische Logistiker, Kraftfahrer, Mechaniker und Sanitäter sind für den UNIFIL-Nachschub zuständig. Für die Österreicher hat es zwar bisher keine direkte Bedrohung gegeben. Aber dass die UNIFIL im Zuge der Verschärfung des Konflikts in und um Syrien verstärkt unter Druck komme, sei ein Faktum, heißt es aus dem Ministerium.

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KURIER: Herr Minister, was ist das Ziel Ihres Truppenbesuchs am Golan und im Libanon?

Gerald Klug: Mir ist wichtig, vor Ort einen Eindruck von der Situation unseres Kontingents bei dieser heiklen Mission zu bekommen. Es geht um ein klares Signal an unsere Soldaten: Wir stehen hinter euch, wir sind stolz auf eure Leistungen und wir tun alles, um eure Sicherheit zu unterstützen.

Sind die Soldaten gefährdet?

Aus heutiger Sicht ist die Lage beherrschbar. Der Schutz der Soldaten wurde verstärkt: bessere Ausrüstung für jeden und zusätzliche gepanzerte Fahrzeuge. Die Lage ist angespannt, ich will nichts schönreden.

Planen Sie eine Evakuierung der Soldaten?

Ein Exit-Szenario ist Teil jeder Militärmission. Wir können jederzeit reagieren. Aktuell sehe ich dazu keinen Anlass. Wir sind ein verlässlicher Truppensteller, wir leisten unseren Beitrag, solange es uns möglich ist. Ich sage ganz offen: Nicht um jeden Preis. Die Sicherheit der Soldaten hat oberste Priorität.

Sie treffen am Donnerstag Ihren israelischen Amtskollegen. Worum wird es dabei gehen?

Um die UN-Friedensmission am Golan. Es gibt ein beiderseitiges Interesse, die Mission fortzuführen. Auch das Waffenembargo wird Thema sein. Ich werde hier für die österreichische Position werben. Ein Ende des Embargos würde die Situation massiv verschärfen. Negative Auswirkungen auf die Sicherheit unserer Soldaten sind dann nicht ausgeschlossen.

Wie groß ist die Gefahr eines Flächenbrandes in der Region?

Die UNO-Operationen sind jedenfalls ein stabilisierender Faktor. Sie konnten bislang dazu beitragen, dass es zu keinem regionalen Flächenbrand gekommen ist. Österreich ist der einzige EU-Staat, der in allen drei UN-Operationen im Nahen Osten mit 550 Soldaten engagiert ist.

Sie treffen auch Libanons Verteidigungsminister. Wie fragil ist die Lage im Libanon?

Die Flüchtlingsströme sind für die Regierung eine Herausforderung. Die libanesische Armee ist ein stabilisierender Faktor, auch die UNIFIL im Südlibanon. Unsere Soldaten machen hier einen wichtigen Job. Wir prüfen Möglichkeiten einer verstärkten bilateralen Zusammenarbeit mit dem Libanon.

Eines scheint klar: Es war kein gezielter Beschuss. Aber den zweiten Tag in Folge explodierte am Dienstag auf israelischem Gebiet eine aus Syrien abgefeuerte Mörsergranate. Schaden richtete sie keinen an. Am Montag waren auf den von Israel besetzten Gebieten auf dem Golan zwei raketengetriebene Granaten eingeschlagen. Israels Armee spricht von Querschlägern. Entlang der Waffenstillstandslinie zwischen Syrien und Israel habe es zum Zeitpunkt des Beschusses heftige kämpfe zwischen Rebellen und Syriens Armee gegeben.

Aber seit den israelischen Luftangriffen auf Damaskus vom Wochenende ist die Lage entlang der Grenze extrem angespannt. Syrien hat ja Gegenangriffe angekündigt. „Wir mischen uns nicht in den Bürgerkrieg in Syrien ein, aber wir haben rote Linien gezogen“, kommentierte Israels Verteidigungsminister Yaalon erstmals die Luftangriffe. Ohne diese zu erwähnen, bekräftigte Premier Netanyahu bei seinem Besuch in China vor der dortigen jüdischen Gemeinde Israels Recht auf Selbstverteidigung: „Wir müssen nicht darum bitten, gerettet zu werden. Wir können uns selbst verteidigen.“

Zur Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien wollen Russland und die USA stärker an einem Strang ziehen. Man habe sich auf die Einberufung einer internationalen Konferenz verständigt, möglichst noch in diesem Monat, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag nach einem Treffen mit seinem US-Amtskollegen John Kerry in Moskau. Syrien hat am Dienstag nach US-Angaben einen Ausfall des Internets erlebt.

Internet-Blackout

Seit dem Nachmittag bestehe in dem Land ein Internet-Blackout, hieß es in einer über Twitter verbreiteten Mitteilung des US-Außenministeriums. Das Unternehmen Umbrella Security Labs berichtete, Syrien sei "weitgehend vom Internet verschwunden". Ähnlich äußerte sich Google. Die Ursache des Ausfalls war zunächst unklar. Nach Angaben von Aktivisten könnte ein Kappen von Kommunikationsmöglichkeiten ein Zeichen einer bevorstehenden Militäroffensive sein.

Zu der von den USA und Russland akkordierten Konferenz sollten alle an dem Konflikt beteiligten Gruppen aus Syrien kommen. Russland und die USA hätten sich ferner darauf verständigt, die syrische Regierung und alle Oppositionsgruppen zu ermutigen, eine politische Lösung zu finden, sagte Lawrow der Nachrichtenagentur Itar-Tass zufolge weiter.

Bisher vertraten Moskau und Washington im Syrien-Konflikt unterschiedliche Positionen. Während die russische Regierung im Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad einen Verbündeten sieht, verlangen die USA dessen Sturz. Als UNO-Vetomacht hat Russland auch Sanktionen gegen Damaskus im Weltsicherheitsrat blockiert. Ein Ziel des Moskau-Besuch Kerrys war es deshalb, Verhandlungsspielräume auszuloten.

Vor dem Treffen mit Lawrow war der US-Chefdiplomat im Kreml bereits mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammengekommen. Die Positionen Washingtons und Moskaus lägen nah beieinander, sagte Kerry er dabei. "Sowohl wir als auch Sie sind an einer Stabilisierung der Region interessiert, daran, dass kein Extremismus aufkommt", sagte Kerry Itar-Tass zufolge. Er hoffe, dass während des Dialogs Gemeinsamkeiten gefunden würden.

"Wir stimmten außerdem darin überein, dass es nötig ist, so schnell wie möglich eine internationale Konferenz einzuberufen, in Nachfolge der Genfer Konferenz, vielleicht noch Ende dieses Monats", sagte Lawrow später nach der Unterredung mit Kerry.

Im Sommer vergangenen Jahres hatten sich die fünf UNO-Vetomächte und mehrere Nahost-Staaten in Genf auf einen Fahrplan für einen politischen Übergangsprozess in Syrien verständigt. Dafür sollte in Damaskus eine Übergangsregierung aus Vertretern des bisherigen Regimes und der Opposition gebildet werden. (APA)