Libanon: Armee beschlagnahmt Treibstoff und verteilt ihn gratis
Der Libanon leidet seit fast zwei Jahren unter der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Die Regierung kann Kredite nicht mehr bedienen, mehr als drei Viertel der libanesischen Bevölkerung lebt inzwischen unter der Armutsgrenze. Die Inflationsrate liegt bei 120 Prozent, für Lebensmittel noch höher. Die Währung hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren.
Zugleich ist der Libanon politisch gelähmt. Die Regierung ist kurz nach der Explosion im Beiruter Hafen zurückgetreten und nur noch geschäftsführend im Amt. Wegen eines monatelangen Machtkampfs konnte noch immer kein neues Kabinett gebildet werden. Libanons politische Elite sieht sich schweren Korruptionsvorwürfen ausgesetzt.
Kein Strom für 22 Stunden am Tag
Die Lage im Land hat zu einer dramatischen Versorgungskrise geführt. Unter anderem fehlt es an Treibstoff für Stromproduktion und Verkehr. Seit Wochen müssen die Menschen im Land täglich über Stunden ohne Strom auskommen - teilweise ist die Stromversorgung für 22 Stunden unterbrochen. So mussten Bäckereien schließen, weil ihnen Strom fehlt. Kliniken mussten Klimaanlagen abstellen.
Am Wochenende bildeten sich vor geschlossenen Tankstellen lange Schlangen frustrierter Autofahrer, die über Stunden vergeblich darauf warteten, tanken zu können. Wütende Libanesen sperrten aus Protest Straßen. "Niemand kann die Demütigung der Libanesen ertragen", klagte ein Demonstrant in der Hauptstadt Beirut.
Die Armee des Landesbezog daraufhin Stellung an den Tankstellen. Gehortetes Benzin werde beschlagnahmt und gratis an die Menschen verteilt, erklärte die Armee. Auf von der Armee veröffentlichten Fotos in den Online-Netzwerken war zu sehen, wie Soldaten Fahrzeuge betankten. Mit ihrem Einsatz an den Tankstellen will die Armee dem Horten von Treibstoff entgegenwirken.
Auch die Polizei kündigte Kontrollen in Tankstellen und die Beschlagnahmung von gehortetem Benzin an.
Explosion von Treibstoffvorräten
Bei einer Explosion von Treibstoffvorräten im Norden des Libanons sind mindestens 20 Menschen ums Leben gekommen. Das Rote Kreuz Libanon twitterte am frühen Sonntagmorgen, es habe 20 Leichen nach der Explosion in Akkar in Kliniken transportiert.
79 Menschen seien verletzt worden. Der libanesische Sender MTV meldete, es sei ein Treibstoffdepot detoniert. Das Rote Kreuz hatte zunächst von einem explodierten Tanklaster gesprochen.
MTV zufolge werden noch Menschen vermisst. Die Ursache für die Explosion war zunächst unklar. MTV zeigte Bilder von Menschen mit schweren Brandverletzungen.
Ein Reporter des Senders berichtete, es seien viele Menschen am Ort der Explosion gewesen, die versucht hätten, Treibstoff zu bekommen.