Leugnung von Genozid in Bosnien künftig strafbar
Das Leugnen von Völkermord ist in Bosnien und Herzegowina in Zukunft untersagt und strafbar. Der scheidende Hohe Vertreter der internationalen Staatengemeinschaft, Valentin Inzko, hat am Freitag entscheidende Änderungen des nationalen Strafgesetzbuchs eingeführt. Der Bosnien-Beauftragte ist für die zivile Umsetzung des Friedensprozesses verantwortlich und kann mittels besonderer Vollmachten (den sogenannten Bonner Befugnissen) Gesetze erlassen.
Aus dem Büro Inzkos heißt es, bisher habe das Strafgesetzbuch "keine angemessene Antwort auf das Problem von Hassreden" geboten, die sich durch die Leugnung der Verbrechen des Völkermords, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, auch wenn diese Verbrechen bereits durch eine Reihe von nationalen und internationalen Gerichten rechtskräftig verurteilt wurden. Nun kann man in Bosnien für Genozidleugnung zwischen sechs Monaten und fünf Jahren ins Gefängnis kommen.
"Der Mangel an Anerkennung, Rechenschaftspflicht und Wiedergutmachung für Opfer von Massengräueltaten und systematischen Übergriffen hat verheerende Auswirkungen auf die Gesellschaft", so Inzko. "Hassreden, die Verherrlichung von Kriegsverbrechern und Revisionismus oder die offene Leugnung von Völkermord und Kriegsverbrechen hindern Gesellschaften daran, ihre kollektive Vergangenheit aufzuarbeiten." Die Opfer würden so aufs Neue gedemütigt.
"Das verhindert Versöhnung"
"All dies führt zu Frustrationen, macht die Gesellschaft chronisch krank und verhindert die dringend benötigte Versöhnung", so Inzko weiter. Er sehe die friedliche Zukunft des Landes in Gefahr.
Inzko, der mit August nach zwölf Jahren aus dem Amt scheidet und seinen Platz für den Deutschen Christian Schmidt räumt, kritisiert im Zuge der Veröffentlichung die bosnische Politik: „Die Bürger von Bosnien und Herzegowina haben viele Jahre darauf gewartet, dass ihre gewählten Vertreter dieses sehr ernste Thema gesetzgeberisch erlassen. Allerdings wurde jede Anstrengung, dies zu tun, blockiert."
Inzko hofft, dass die von ihm als Hoher Vertreter erlassenen Regelungen den Menschen ermöglicht, "sich von der Last der Vergangenheit zu befreien". Nach dem Krieg geborenen jungen Menschen werde täglich auf Kosten der blutigen Vergangenheit eine bessere Zukunft geraubt.
Fast alle Möglichkeiten, die er den heimischen Behörden angeboten habe, sich von Kriegsverbrechern zu distanzieren – seien letztlich von der Republika Srpska abgelehnt worden. Als "moralische Verpflichtung" gegenüber den Bürgern, die die Schrecken des Krieges erlitten haben, sowie als "Schuld gegenüber den nach dem Krieg geborenen jungen Menschen dieses Landes", habe sich Inzko entschlossen, die Bonner Befugnisse zu nutzen und in das Strafrecht einzugreifen, "damit in Zukunft keine Verherrlichung von Kriegsverbrechern und keine Revision historischer Tatsachen ungestraft ermöglicht wird".
Das serbische Mitglied im bosnischen Staatspräsidium, Milorad Dodik, kritisierte die Entscheidung des Österreichers Inzko umgehend als "unbegründet". In Srebrenica habe es keinen Völkermord gegeben, erklärte er. Nach der Einnahme der damaligen Muslim-Enklave Srebrenica im Juli 1995 ermordeten bosnisch-serbische Truppen in einem Völkermord, auf den Inzkos Gesetzesänderung abzielt, rund 8.000 Männer und Buben.
Dodik kündigte eine Sondersitzung des Parlamentes des serbischen Landesteils Bosniens, der Republika Srpska, zum Thema Genozidleugnung für die kommende Woche an. Sowohl das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien als auch der Internationale Gerichtshof (IGH) stufen die Massaker von Srebrenica in ihren Urteilen als Völkermord ein. Der Genozid gilt als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Der bosnisch-serbische General Ratko Mladic war u.a. wegen der Gräueltaten in Srebrenica diesen Juni rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Kritik aus Österreich
Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg bedauerte am Freitag bei einem Besuch in Kroatien den Einsatz der als "Bonn Powers" bekannten Sonderbefugnisse des internationalen Bosnien-Beaufragten. "So sehr ich emotionell und gedanklich den Schritt verstehe, so sehr bedauere ich, dass so ein Schritt im 21. Jahrhundert überhaupt notwendig ist", sagte Schallenberg bei einer Pressekonferenz in Zagreb. Ziel müsse es sein, dass es die "Bonn Powers" in Zukunft nicht mehr gebe. "Es liegt aber letzten Endes an Bosnien-Herzegowina selber eine Situation zu schaffen, wo es nicht mehr einen internationalen Vertreter bräuchte, der solche Befugnisse hat", so der Außenminister.
Der kroatische Außenminister Gordan Grlic Radman bezeichnete die Anerkennung des Genozids als "Frage zivilisatorischer Werte". Er verwies darauf, dass Inzko am Ende seines Mandats sei und seine Sonderbefugnisse, auf die er ein Recht hatte, jahrelang nicht benutzt habe.