Politik/Ausland

Keine Entscheidung zwischen Ost und West nötig

Laut darüber nachgedacht hat Sebastian Kurz schon länger: In einem Interview mit dem KURIER vor knapp zwei Wochen sprach Kurz von einem vierstufigen Plan für die Ukraine. Als eine der Ideen nannte er einen "Wirtschaftsraum mit dem Osten", den die EU aufbauen solle. Auch die Neutralität des Landes stand im Zentrum von Kurz’ Überlegungen. Jetzt sind die Gedanken des Außenministers auch in einem Papier festgehalten, wie Die Presse berichtet.

"Wirtschaftsraum Ost"

Der Vier-Punkte-Plan sieht die erwähnte Neutralität bzw. Bündnisfreiheit und ebendiesen von Kurz angesprochenen "Europäischen Wirtschaftsraum Ost" vor, an dem sich auch andere Ex-Sowjetrepubliken beteiligen könnten. Außerdem solle die Krim wieder zu jenem Status zurückkehren, den sie vor der Eingliederung durch Russland hatte.

Die EU soll die Ukraine einerseits finanziell unterstützen, andererseits durch Experten bei der Stärkung des Rechtsstaates, dem Kampf gegen die Korruption sowie dem verfassungsrechtlichen Schutz von Minderheiten.

Entscheidend für das Verhältnis sowohl Europas als auch der Ukraine zu Russland ist der vierte Punkt: Kiew soll sich nicht zwischen West oder Ost entscheiden müssen – sondern zu beiden Seiten gute Beziehungen unterhalten können. Das heißt in der Praxis, dass die Ukraine sowohl das EU-Assoziierungsabkommen unterzeichnen wie auch der Eurasischen Wirtschaftsunion beitreten kann, die Russland aufbaut. Kurz bemühe sich "um ein Ende des Blockdenkens", heißt es aus dem Außenministerium in Wien gegenüber dem KURIER. Er werde den Vier-Punkte-Plan auch aktiv in die Gespräche der EU-Außenminister am Freitag und Samstag in Athen einbringen.

Im Mittelpunkt der Gespräche steht die Neuausrichtung der gemeinsamen Politik gegenüber der Ukraine und anderen Ex-Sowjetrepubliken. Die neue Linie dürfte im Grundsatz dem entsprechen, was Kurz will: Die EU solle ihre Partnerländer nicht vor "starre Entscheidungen" stellen, forderten die Außenminister Deutschlands, Polens und Frankreichs zu Wochenbeginn in einer Erklärung. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, man könne "entweder sich der EU annähern oder mit Russland zusammenarbeiten".

Polizisten verhaftet

In der Ukraine sind unterdessen zwölf Mitglieder der inzwischen aufgelösten Berkut-Bereitschaftspolizei wegen des Verdachts auf Massenmord während der Proteste gegen die Regierung verhaftet worden. Ihnen wird vorgeworfen, friedliche Demonstranten erschossen zu haben.

Die Krim-Krise hat auch Auswirkungen auf das Raumfahrtprogramm der USA: Die US-Raumfahrtbehörde NASA hat die Beziehungen zu Russland ausgesetzt - mit Ausnahme der Zusammenarbeit bei der Internationalen Raumstation ISS. Das berichtet das Online-Nachrichtenportal The Verge am Mittwoch unter Berufung auf ein internes NASA-Memorandum. NASA-Beschäftigten sind demnach Reisen nach Russland untersagt, ebenso dürfen Russen keine NASA-Einrichtungen besuchen.

Außerdem werden E-Mail-Kontakte sowie Telefon- und Videokonferenzen eingefroren. In dem in Auszügen online veröffentlichten Papier heißt es: "Angesichts Russlands andauernder Verletzung der ukrainischen Souveränität und territorialen Unversehrtheit hat die US-Regierung bis auf Weiteres entschieden, alle NASA-Kontakte zu russischen Regierungsvertretern auszusetzen" - abgesehen von ausdrücklich genannten Ausnahmen.

Stimmungswandel

Noch vor wenigen Tagen hatte NASA-Chef Charles Bolden vor dem US-Kongress sein Vertrauen in die Raumfahrt-Partnerschaft zwischen USA und Russland bekräftigt. Seit dem letzten Flug eines Space Shuttles im Sommer 2011 sind die USA für bemannte Flüge zur ISS auf die russischen "Sojus"-Kapseln angewiesen. Pro Reise zahlt die NASA gut 70 Millionen Dollar an Russland. Die neue US-Raumkapsel "Orion" wird erst in einiger Zeit voll einsatzbereit sein. Ein erster Testflug ist später in diesem Jahr geplant.

Krim-Krise

Die Russische Föderation hatte nach dem Umsturz in der Ukraine Ende Februar die Schwarzmeerhalbinsel Krim in ihr Staatsgebiet eingegliedert. Zudem zog Moskau Soldaten an der Westgrenze zur Ukraine zusammen. Die NATO setzte diese Woche die praktische Zusammenarbeit mit Moskau aus. Zugleich will die transatlantische Militärarallianz nach Angaben von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen enger mit der Ukraine zusammenarbeiten. Nachbarländer der Ukraine wie Bulgarien, Ungarn, Rumänien und die Slowakei sind bereits Mitglieder der NATO, die Ukraine noch nicht.