Politik/Ausland

Katalonien: Ausrufung der Unabhängigkeit steht bevor

Nach dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien spitzt sich der Konflikt zwischen Barcelona und Madrid immer weiter zu: Kataloniens Regionalpräsident Carles Puigdemont kündigte an, womöglich noch diese Woche die Unabhängigkeit von Spanien zu erklären. "Keine Gesellschaft sollte einen Zustand akzeptieren, den sie nicht will", sagte der 54-Jährige dem britischen TV-Sender BBC in seinem ersten Interview seit der Abstimmung vom Sonntag.

Wenn es eine Mehrheit für eine Unabhängigkeit gebe, dann müsse es darauf auch eine politische Antwort geben. Eine Unabhängigkeit will Puigdemont binnen 48 Stunden nach Bekanntgabe eines offiziellen Abstimmungsergebnisses verkünden. Dies könne am Freitag, über das Wochenende oder dann zu Wochenbeginn erfolgen, meinte Puigdemont, der für den heutigen Mittwoch jedoch ebenfalls eine Erklärung ankündigte. Aus Regierungskreisen wurde verlautet, diese sei um 21.00 Uhr MESZ zu erwarten. Das Präsidium des katalanischen Parlaments kommt im Laufe des Tages zusammen, um einen Termin für die nächste Plenarsitzung zu festzulegen. Dort könnte dann das Datum für die Unabhängigkeitserklärung festgelegt werden.

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Kein Kontakt zu Regierung in Madrid

Auf die Frage der BBC, was er tun werde, sollte die spanische Regierung intervenieren und die Regierungsgewalt in Katalonien übernehmen, sagte Puigdemont, dies wäre "ein Fehler, der alles ändert". Derzeit bestehe kein Kontakt zwischen der Regionalregierung von Katalonien und Madrid.

Wenige Stunden zuvor hatte sich auch Spaniens König erstmals in den Konflikt eingeschaltet - und scharfe Vorwürfe gegen die Regionalregierung in Barcelona gerichtet. Mit ihrem "unverantwortlichen Verhalten" bringe sie die wirtschaftliche und soziale Stabilität Kataloniens und ganz Spaniens in Gefahr, sagte Felipe VI. am Dienstagabend in einer Fernsehansprache.

Angesichts dieser Situation "von extremer Tragweite" sei es die Pflicht der "legitimen" Staatsführung, "die verfassungsmäßige Ordnung und das normale Funktionieren der Institutionen sicherzustellen", sagte der König, der vor dem Referendum eher moderate Töne angeschlagen hatte. Die führenden katalanischen Politiker hätten sich mit ihrem Verhalten "außerhalb von Recht und Demokratie" gestellt, sagte er nun.

Am Sonntag hatten die Katalanen trotz klarer Warnungen der Regierung in Madrid ein Referendum über die Unabhängigkeit der wohlhabenden Region im Nordosten Spaniens abgehalten. 90 Prozent der Wähler stimmten nach Angaben der Regionalregierung für die Loslösung von Spanien. Die Wahlbeteiligung lag demnach aber nur bei 42 Prozent. Welche Konsequenzen die Abstimmung haben wird, ist derzeit völlig offen.

Die spanische Polizei war massiv gegen das vom spanischen Verfassungsgericht als rechtswidrig eingestufte Referendum vorgegangen. Polizisten schlossen Wahllokale, beschlagnahmten Abstimmungsunterlagen und hinderten Menschen mit Schlagstöcken und Gummigeschoßen an der Stimmabgabe.

840 Verletzte

Nach katalanischen Angaben mussten sich nach der Polizeigewalt mehr als 840 Menschen ärztlich behandeln lassen. Am Dienstag fand in Katalonien ein Generalstreik statt, um gegen den von Madrid angeordneten Polizeieinsatz zu demonstrieren. Bei mehreren Kundgebungen in Barcelona strömten nach Angaben der städtischen Polizei vom Abend etwa 700.000 Menschen zusammen. Die Demonstranten forderten unter anderem den Abzug der spanischen Polizeikräfte, die sie in Sprechchören als "Besatzungskräfte" kritisierten.

Währenddessen bereitete sich die Regionalregierung weiter auf die Ausrufung der Unabhängigkeit vor. Abgeordnete erklärten laut Medienberichten, das Regionalparlament in Barcelona komme am Mittwoch zusammen, um einen Termin für die Sitzung festzulegen, bei der die Unabhängigkeitserklärung lanciert werden soll.

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Gegner der Unabhängigkeit kündigten unterdessen für Sonntag eine Demonstration gegen die Abspaltung Kataloniens von Spanien an. Es gehe darum, wieder "die Vernunft zurückzugewinnen", erklärte Alex Ramos, der Vizepräsident der zivilen Organisation Societat Civil Catalana (SCC).

Felipe räumte ein, Spanien mache "schwierige Zeiten" durch. Man werde diese aber "überwinden und vorwärtskommen", sagte das 49 Jahre alte Staatsoberhaupt. Allen Spaniern wolle er "eine Botschaft der Ruhe und der Hoffnung" übermitteln. Ohne demokratischen Respekt gebe es kein friedliches Zusammenleben.