Politik/Ausland

Wohl gefälschte Sex-Bilder: Türkischer Präsidentschaftskandidat zieht sich zurück

Kurz vor der ersten Runde der Präsidentenwahl in der Türkei am Sonntag ist der Politiker Muharrem Ince überraschend aus dem Rennen ausgestiegen. "Ich ziehe meine Kandidatur zurück", sagte der Vorsitzende der Partei Memleket (Vaterland) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

Zuvor war der Wahlkampf in der Türkei schmutzig geworden. Ince tritt auch wegen potenziell gefälschten Sex-Bildern im Internet zurück. Zudem möchte er wohl auch kein Zünglein an der Waage sein, Erdogan an der Macht zu halten: 

Denn: Sein Austritt könnte den Wahlausgang am Sonntag zugunsten der Opposition, also Kandidaten der CHP, Kemal Kilicdaroglu, entscheiden. Wieso?

Ince als Stimmabgräber der Opposition

Seine Kandidatur - er trat bereits 2018 gegen Recep Tayyip Erdogan an und verlor - hatte Diskussionen ausgelöst: Meinungsforschern zufolge zieht Ince vor allem Protestwähler an. Er ist zudem bei jungen Wählern beliebt. Kritiker argumentierten, dass er damit eine Niederlage des aussichtsreichsten Erdogan-Herausforderers Kilicdaroglu, wahrscheinlicher mache und ergo eine Wiederwahl Erdogans ermögliche.

Ince selber wäre bei der Wahl ohnehin relativ chancenlos gewesen.  In den Umfragen war der erklärter Gegner des amtierenden Präsidenten Erdogan, nur bei zwei bis vier Prozent der Stimmen gelegen.

Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan sei zudem zuletzt deutlich hinter seinen Herausforderer Kemal Kilicdaroglu zurückgefallen sein. Daten des Instituts Konda zufolge sprachen sich 43,7 Prozent der Befragten für Erdogan und 49,3 Prozent für Kilicdaroglu aus.

➤ Mehr dazu lesen Sie in: Warum einem CHP-Wähler Erdoğan lieber wäre als Herausforderer Kılıçdaroğlu

Worauf Europa bei einem Sieg der türkischen Opposition hofft

Wenn am Sonntag kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht, ist eine Stichwahl am 28. Mai vorgesehen.

➤ und hier:  Wie Erdoğan die Frauen verlor

Die Übrigen 

Mit Inces Ausstieg steigt auch die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung in der ersten Wahlrunde. Im Rennen um das Präsidentenamt stehen nun neben Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan noch der Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu und Sinan Ogan, Kandidat einer ultranationalistischen Allianz.

Kompromittierende Bilder 

Ince argumentiert seinen Rückzug auch mit einer Verleumdungskampagne gegen seine Person. Auf Social Media sollen kompromittierende Bilder veröffentlicht worden sein, die Ince beim Sex und mit Autos zeigen. Ince beteuert, dass die Bilder gefälscht sind. Auch viele westliche Medien gehen von einer Fälschung aus. 

Ob die Bilder echt sind, ist unklar. Zuvor waren auch Korruptionsvorwürfe gegen ihn laut geworden. Ince sprach in seiner Rücktrittsrede von "verleumderischen" Aufnahmen. Laut der türkischen BBC habe die Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet, um die Echtheit der Bilder festzustellen. 

Er fügte hinzu, er wolle nicht, dass der größere Oppositionsblock hinter Kilicdaroglu ihn für eine mögliche Niederlage verantwortlich mache.Er sieht es als "patriotisschen Akt". 

Ince trotzdem auf Wahlzettel

Offen ist die Frage, was mit den Stimmen der Auslands-Türken und - Türkinnen passiert, die bereits abgestimmt haben. Denn auf den Wahlzetteln wird sein Name am Sonntag trotzdem auftauchen. Auch bei den Wahlen im Ausland, die in großen Teilen am Dienstag abgeschlossen wurden, wurde er als Kandidat aufgeführt.

Wie viele Menschen in Österreich bei der Türkei-Wahl ihre Stimmen abgeben können, lesen Sie hier: Türkei-Wahl: Rekordbeteiligung von über 56 Prozent in Österreich