Justiz und Kongress: Wo Bolsonaros Grenzen liegen
Von Armin Arbeiter
Mit dem früheren Fallschirmjäger Jair Bolsonaro steht nun ein Rechtspopulist an erster Stelle des brasilianischen Staates. Der 63-Jährige legte am Dienstag im Kongress seinen Amtseid ab und übernahm im Regierungspalast Planalto die Präsidentenschärpe von seinem Amtsvorgänger Michel Temer. „Wir haben jetzt die einzigartige Möglichkeit, unser Land neu aufzubauen“, sagte Bolsonaro. „Heute ist der Tag, an dem die Menschen beginnen, sich vom Sozialismus, vom staatlichen Gigantismus und dem politisch Korrekten zu befreien.“
Zuvor war er gemeinsam mit seiner Ehefrau Michelle in einem offenen Rolls Royce durch die Hauptstadt Brasilia gefahren. Seine Anhänger skandierten Bolsonaros Wahlkampfslogan: „Brasilien über alles, Gott über allen.“ Kritiker befürchten, dass Bolsonaro den Schutz von Minderheiten zurückfahren, Regeln zum Naturschutz lockern und Unternehmen bei ihren Geschäften weitgehend freie Hand lassen wird. Manche sehen in ihm sogar eine Gefahr für die noch junge Demokratie Brasiliens.
Menschenrechtsaktivisten und Umweltschützer erwarten nach Bolsonaros Amtsantritt das Schlimmste. Der neue Präsident hatte sich zuletzt immer wieder abfällig über Schwarze, Indigene und Homosexuelle geäußert und die Militärdiktatur in Brasilien gelobt. Er kündigte an, keine weiteren Schutzgebiete für indigene Gemeinschaften auszuweisen und den Zugang zu Waffen zu erleichtern.
Zudem liebäugelt Bolsonaro mit einem Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen und will zusätzliche Flächen im Amazonasgebiet für die wirtschaftliche Nutzung freigeben. Das könnte die internationalen Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel ausbremsen, da der brasilianische Regenwald als CO2-Speicher von globaler Bedeutung ist.
In seiner Rede kündigte Bolsonaro einen „nationalen Pakt“ an, um Brasilien voranzubringen. In den kommenden vier Jahren will der Rechtspopulist die weit verbreitete Korruption bekämpfen, Kriminalität eindämmen und die Wirtschaft ankurbeln. Zu seinem Kabinett gehören der prominente Anti-Korruptionsermittler Sergio Moro und der ultraliberale Wirtschaftswissenschaftler Paulo Guedes. Unter seinen Ministern sind zudem sieben Ex-Militärs.
Wie der „Tropen-Trump“ seine Politik umsetzen kann, ist noch unklar: Im Parlament ist seine Partei mit 52 von 513 Sitzen zweitstärkste Fraktion, die ehemals starke Arbeiterpartei konnte einen knappen Vorsprung (56 Sitze) verteidigen. Neben der schwierigen Bündnissuche dürfte Bolsonaro vor allem bei der Justiz auf Probleme stoßen – laut Foreign Policy eine „starke, unabhängige und mehrschichtige“, also eine Institution, die ein Mann wie Bolsonaro „fürchten solle“.
Bereits die früheren Staatsoberhäupter, Dilma Rousseff und Luiz Inácio Lula da Silva wurden als Teil des Korruptionsskandals „Lava Jato“ von der Justiz aus dem Spiel genommen. Eine unabhängige Staatsanwaltschaft komplettiert das System in Brasilien, das nicht zuletzt wegen den Jahrzehnten der Diktatur so gestaltet wurde, dass es einer Person schier unmöglich ist, alle Macht auf sich zu vereinen.