Italiens Starköche revoltieren gegen "Lockdown light": "Werden alle pleite sein"
Von Daniela Kittner
Italiens Starköche revoltieren gegen die Regierungsverordnung, laut der Restaurants, Pizzerien, Bars und Konditoreien im Land ab dem heutigen Montag um 18 Uhr schließen müssen. „Jeden Tag sind Restaurantinhaber gezwungen, ihr Lokal zu schließen. Unzählige Familienbetriebe werden nicht mehr in der Lage sein, weiter zu arbeiten“, warnte der „König“ der italienischen Starköche, Gianfranco Vissani, laut Medienangaben.
Vier Personen Maximum an einem Tisch
Vissani erklärte, er selber habe sein Restaurant in Rom schließen müssen. „Ich konnte nicht mehr weitermachen. Es gibt keine genauen Regeln. Statt uns zu unterstützen, bestraft uns die Regierung“, argumentierte Vissani. Er kritisierte unter anderem den Regierungsbeschluss, maximal vier Personen an einem Tisch sitzen zu lassen.
"Wir werden alle pleite sein"
„Ab Dezember werden wir alle pleite sein, ganz Mailand wird ausgestorben sein. Bald wird es zu Protesten wie in Rom und Neapel kommen“, sagte Paolo Peroli, Miteigentümer eines der traditionsreichen Nachtlokalen in Mailand. Er zählt zu einer Gruppe von Lokalinhabern, die am Donnerstag vor dem Sitz der Region Lombardei gegen die restriktiven Maßnahmen protestiert hatte.
Der Mailänder TV-Starkoch Davide Oldani meinte, Restaurants seien vom Standpunkt der Hygiene sicherer als Privatwohnungen. Restaurants hätten sich bisher strikt an die Vorschriften der Regierung gehalten. „Wir werden es weiterhin tun, wir müssen Geduld haben“, sagte Oldani.
Zwei Millionen Arbeitnehmer bangen
Der Gastronomen-Verband FIR schätzt wegen der neuen strengen Schutzmaßnahmen mit einem zusätzlichen Umsatzrückgang für Lokale von 70 Prozent. „8.000 Arbeitnehmern droht allein in Mailand der Jobverlust. Die Personen gehen nicht mehr außer Haus, sie gehen nicht in Lokale und Restaurants. Der mediale Terror hat die Gastronomie zerstört“, betonte Glauco Marras, Präsident des FIR-Verbands.
Zwei Millionen Arbeitnehmer bangten um ihren Job, 250.000 Familien seien durch die Maßnahmen gefährdet, warnte der Branchenverband der Gastronomiebetreiber, Fipe Confcommercio. Lokalinhaber forderten von der Regierung dringende Stützungsmaßnahmen in dieser zweiten Phase der Epidemie, die die Gastronomiebranche stark beeinträchtigt. Protestkundgebungen gegen die Einschränkungen im Gastronomiebereich gab es am Samstag unter anderem in Mailand und Palermo.
34 Milliarden heuer schon verloren
Die Gastronomie in Italien generiert jährlich einen Umsatz von 84 Mrd. Euro. Die Branche habe in diesem Jahr bereits 34 Mrd. Euro verloren, so der Fipe-Verband. Wegen der Krise und der vielen Arbeitnehmer im Home-Office gäben die Italiener um 40 Prozent weniger für Speisen außer Haus aus als 2019.
Insgesamt mehren sich die Proteste gegen Corona-Maßnahmen in Itlaien. Immer mehr Bürger gehen auf die Straße, um gegen die neuen Sicherheitsvorkehrungen zu protestieren, die am Montag in Kraft getreten sind.
Proteste im ganzen Land
Eine Gruppe schwarz gekleideter Personen versammelte sich am Sonntagabend vor dem Sitz der Region Lombardei in Mailand und protestierte gegen die Sicherheitsvorkehrungen. Zu ähnlichen Demonstration kam es auch in Neapel. In Catania wurden Knallkörper gegen den Polizeisitz geworfen. Im sizilianischen Syrakus demonstrierten hunderte Menschen gegen die Schließung der Lokale um 18.00 Uhr, sowie gegen die komplette Sperre von Kinos, Theatern, Sportzentren und Schwimmhallen.
"Neapel ist ein Pulverfass"
Nachdem es am Wochenende zu gewaltsamen Protesten in Rom und Neapel gekommen war, warnte der neapolitanische Bürgermeister Luigi De Magistris vor weiteren Ausschreitungen. „Neapel ist ein Pulverfass“, warnte der Stadtchef. Er verurteilte die gewaltsamen Proteste am Freitagabend, die in Angriffe auf die Sicherheitskräfte ausgeartet sind. „Unter den Demonstranten befanden sich nicht nur Gewalttätige, sondern auch tausende Menschen, die friedlich gegen die nächtliche Ausgangssperre demonstrierten, darunter Jugendliche, Studenten und Kaufleute“, sagte De Magistris.
Demonstrationen sind am Montag auch in den norditalienischen Städten Vicenza und Treviso geplant.
"Proteste werden unterwandert"
Die Regierung verurteilte die gewaltsamen Proteste. „Wer die Sicherheitskräfte angreift, ist ein Feigling“, kommentierte Außenminister Luigi Di Maio, Spitzenpolitiker der stärksten italienischen Regierungspartei „Fünf Sterne“. Regierungschef Giuseppe Conte warnte davor, dass Protestbewegungen von rechtsradikalen und umstürzlerischen Gruppen unterwandert werden könnten.
Sport und Kultur dicht, Geschäfte und Betriebe offen
Italien schränkt im Kampf gegen die stark steigenden Infektionszahlen das öffentliche Leben weiter ein. Von Montag an müssen Bars und Restaurants ab 18.00 Uhr schließen, wie aus einer Anordnung von Sonntag hervorgeht. Kinos, Theater, Spielhallen, Klubs, öffentliche Sportstätten und Schwimmbäder werden ganz dichtgemacht.
Die Italiener werden aufgefordert, möglichst nicht auszugehen und zu Hause die Kontakte mit Personen außerhalb der eigenen Familie einzuschränken.
Die Regierung verzichtet aber auf eine neue landesweite Ausgangssperre. Auch Geschäfte und die meisten Unternehmen dürfen weiterarbeiten.