Politik/Ausland

Streik: Italiens Sonnenschirmbetreiber planen Strand-Lockdown

von Florian Mühleder

Am Freitag werden in Italien für zwei Stunden viele Strände aus Protest geschlossen bleiben. Die Anbieter von Liegen, Sonnenschirmen und gastronomischen Angeboten streiken. 

Die Betreiber der Strände, auch “balneari” genannt, werden am Freitag erst um 9.30 Uhr statt 7.30 Uhr öffnen. Man protestiert gegen eine geplante Änderung von Lizenzkriterien der Europäischen Union und die Untätigkeit der italienischen Regierung. Diese will ihre Entscheidung allerdings erst nach Ende der Sommersaison kundtun.

Der Gewerkschaftsverband der Küstenunternehmen veranlasste den Streik, um "der Trägheit der Regierung angesichts der chaotischen Lage in der Branche ein Ende zu setzen.“ Sollten die Streiks wirkungslos bleiben, sind weitere Protestaktionen geplant. Ab 19. August wollen die Strandbadbesitzer bis 10.30 Uhr streiken.

Lizenzstreit mit Italien und EU

Auslöser für die Streiks sind Streitigkeiten um die Vergabe der staatlichen Konzessionen. Grundsätzlich gehören die Strände dem Staat. Lokale Verwaltungen vergaben die Konzessionen bisher an Privatleute. Ursprünglich wurden die Lizenzen an Kriegsveteranen vergeben, um ihnen ein sicheres Einkommen zu garantieren. 

Oft blieben die Strandbäder jahrzehntelang in den Händen der gleichen Betreiber, und die Lizenzen für diese verlängern sich automatisch. 

Laut WELT kostet eine Betriebslizenz 7.600 Euro. Der Umsatz, der daraus jährlich gemacht wird, soll 260.000 Euro betragen. Der Staat profitiert dagegen kaum von den Badeanlagen.

Die Konzessionen bringen Rom etwas über 100 Mio. Euro im Jahr ein. Der Umsatz mit den Anlagen für die Betreiber wird allerdings jährlich auf 2 Mrd. Euro geschätzt.

Die Wut vieler Strandbadbetreiber richtet sich nun gegen die italienische Regierung und Premierministerin Giorgia Meloni.

Ex-Premier Mario Draghi hatte vor seinem Rücktritt im Juli 2022 das Auslaufen der Strandbäderlizenzen durchgesetzt. 2024 sollten sie erstmals neu ausgeschrieben werden. Als Reaktion gab die EU-Kommission Italien bis Mitte Jänner 2024 Zeit, eine Anpassung an die seit 2006 gültigen Vorschriften vorzunehmen. 

EU will Liberalisierung der Lizenzverteilung 

Die EU plant, die Ausschreibungen nun öffentlich und europaweit zu inserieren, um mehr Wettbewerb zu ermöglichen. Durch eine ordentliche Ausschreibung soll laut EU eine transparente Lizenzerteilung garantiert werden. 

Meloni versuchte indessen, die Umsetzung der Vorschriften aus Brüssel möglichst lange hinauszuzögern. Sie ließ die Konzessionen vorerst bis Ende 2024 verlängern. Die Strandbetreiber aber befürchten, dass internationale Konzerne bereits ein Auge auf die rentablen Lizenzen geworfen hätten und die traditionellen Familienbetriebe ablösen wollen. Tausende Familien würden ihre Lebensgrundlage verlieren, argwöhnen sie.

EU-Verordnung seit 18 Jahren umgangen

Bereits seit 2006 existiert eine EU-Vorschrift, die eine europaweite Ausschreibung der Lizenzen vorschreibt. Der Widerstand der gut organisierten Lobby der “balneari” blieb allerdings hartnäckig. Italien hat in dieser Angelegenheit bereits zwei Strafverfahren aus Brüssel kassiert. 

Preiserhöhungen: Standbetreiber immer unbeliebter

Die Standbetreiber gerieten in den vergangenen Jahren immer mehr in Verruf. Einheimische und Urlauber beklagen zunehmend unverschämt hohe Preise.

Im Schnitt werden laut dem italienischen Verbraucherschutzverband Codacons pro Tag 32 bis 35 Euro für Sonnenschirm und Sonnenliege fällig. Im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um drei bis fünf Prozent. Am teuersten fällt die Sonnenschirm- und Liegenmiete auf Sardinien aus. Auf Luxusstränden zahlt man über 500 Euro täglich. 

Laut Codacons stellt der Le Cinque Vele Beach Club in Pescoluse in Apulien alles in den Schatten. Hier zahlt man knapp 700 Euro für seinen Strandplatz.

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Kritik wegen Mafia-Verbindungen

Bei der Vergabe der Strandanlagen soll außerdem immer öfter Korruption eine Rolle spielen. Umweltschutzverbände kritisieren, dass mehrere Anlagen in die Hände der lokalen Mafia geraten seien. Für die Clans sind die Geschäftsmodelle mit hohem Gewinn sehr attraktiv.

Laut einem Bericht der italienischen Anti-Mafia-Behörde DIA sollen in Ostia an der römischen Küste Mitglieder des Spada-Clans Strandanlagen führen. Auch die Mafia-Clans Camorra, 'Ndrangheta und sogar die Cosa Nostra sollen mitmischen. Betroffen sind unter anderem die süditalienischen Regionen Kampanien und Basilikata.

Besonders in Sizilien sollen sich viele Clans Strandanlagen unter die Nägel gerissen haben.

Bestechungsgelder und Strandübernahmen

Laut La Sicilia hat die sizilianische Mafia mithilfe von Bestechungsgeldern und dem Zwang zur Einstellung von Personal die Parkplatzbewirtschaftung und den Sicherheitsdienst für einige Strandbetreiber übernommen. Von den Stränden von Trapani bis zur ionischen Küste soll es mittlerweile auch zu gänzlichen Übernahmen von Strandanlagen gekommen sein.

Im Küstenbereich Catanias seien besonders viele Anlagen im Besitz von Clans. Der Mafiaboss einer Cosa Nostra Subgruppe, Maurizio Zuccaro, soll mit den Besitzern einer Badeanstalt und einer Industrieabfalldeponie Geschäftsvereinbarungen getroffen haben. Nach seiner Verurteilung zu lebenslanger Haft wurden die Strandanlagen beschlagnahmt. 

Auch um die mafiösen Machenschaften im "Business am Strand" zukünftig zu unterbinden will die italienische Regierung nun neue Regelungen zur Lizenzvergabe finden.