US-Abzug aus Syrien: "Der Hemmschuh fällt damit weg"
Von Armin Arbeiter
„Es ist an der Zeit, dass unsere Soldaten nach Hause zurückkehren“, meinte US-Präsident Donald Trump, als er seine Entscheidung begründete, die US-Soldaten aus Syrien abzuziehen. Rund 2000 waren zuletzt noch im Norden Syriens stationiert, um die kurdisch dominierten „Syrischen demokratischen Kräfte“ (SDF) zu unterstützen – hauptsächlich im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). „Wir haben gegen den IS gewonnen“, meinte Trump.
Brigadier Walter Feichtinger vom Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement erinnern Trumps Worte an die Rede des Ex-Präsidenten George W. Bush im Jahr 2003 auf einem US-Flugzeugträger: „Damals sagte er ‚Mission erfüllt‘, mittlerweile wissen wir, dass die Mission nicht erfüllt war. Auch der IS ist nicht besiegt. Es ist zwar das Kalifat zerschlagen, doch der IS zeigt uns tagtäglich, dass er noch aktiv ist“, sagt er im KURIER-Gespräch.
Tatsächlich besetzen die Dschihadisten nach wie vor Landstriche am Fluss Euphrat, nahe der Stadt Deir ez-Zor an der irakischen Grenze und in anderen Gebieten, die von den Assad-Truppen attackiert werden.
Doch auch im kurdisch dominierten Gebiet verüben sie immer wieder Anschläge. Tausende IS-Kämpfer befinden sich in Gefängnissen der Kurden – und das sich anbahnende Chaos könnte ihnen nützlich sein.
Denn die USA waren nicht ohne Grund hauptsächlich in Nordsyrien stationiert: Die Türkei betrachtet ihre mehr als 400 Kilometer lange Grenze zu den SDF-kontrollierten Gebieten mit Argwohn, da diese mit der kurdischen PKK in der Türkei verbündet sind. Die USA dienten als Schutzschild der Kurden – solange amerikanische Soldaten stationiert waren, konnten die türkischen Streitkräfte ihren NATO-Bündnispartner nicht angreifen.
Wie brisant die Lage für die SDF ist, zeigt ein Statement des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar Donnerstagfrüh: „Die Militanten in Nordsyrien östlich des Euphrats werden zu gegebener Zeit eliminiert werden“, sagte er.
Für Feichtinger ist die Wahrscheinlichkeit eines türkischen Angriffs gestiegen: „Der Hemmschuh fällt damit weg, ein Angriff wird aber nicht von heute auf morgen erfolgen“, sagt er. Zuerst müssten die USA geordnet abziehen und sich mit ihren Verbündeten absprechen. „Das sind unter anderem die Franzosen, aber vor allem die SDF, die durch den US-Abzug massiv vor den Kopf gestoßen wurden“, sagt Feichtinger. Dass IS-Kämpfer aus den Gefängnissen freikommen könnten, hält er für nicht ausgeschlossen: „Wir sehen brisanten Zeiten entgegen.“
Auch in den USA sorgt Trumps Entscheidung für Unverständnis - selbst in den eigenen Reihen: Der republikanische Senator aus Florida, Marco Rubio, sprach von einem überstürzten Abzug und einem schrecklichen Fehler, der das Land noch auf Jahre verfolgen werde. Die Entscheidung sei gegen den Rat von Militärs gefallen und werde schwerwiegende Folgen für die USA haben. Colorados republikanischer Senator Cory Gardner rief Trump dazu auf, von seiner Entscheidung abzurücken.
Bereits zweimal hatten türkische Streitkräfte und ihre Verbündeten den Kurden vernichtende Niederlagen beigebracht, Gefechte zwischen SDF und der Türkei würden auf jeden Fall das Syrien östlich des Euphrat weiter destabilisieren – und dem IS eine starke Wiederkehr ermöglichen. Frankreichs Verteidigungsminister hielt bereits fest, dass der IS noch nicht besiegt sei und kündigte an, die französischen Truppen weiterhin in Syrien zu lassen. Diese konnten am Mittwochnachmittag dem IS die Ortschaft Hajin entreißen.
Der angekündigte Abzug schwächt die US-Position in Syrien, aber auch im Nahen Osten weiterhin. Bereits unter Barack Obama war die Strategie, Rebellen gegen Assad auszubilden, gescheitert. Erst mit der Unterstützung der SDF konnte der IS aus Städten wie Rakka vertrieben werden. In den bevölkerungsreichen Provinzen im Westen Syriens hatten die USA spätestens nach der Belagerung Aleppos kaum mehr etwas mitzureden. „Der angekündigte Abzug versetzt Assad und seine Verbündeten in eine angenehme Lage“, analysiert Feichtinger.
Putin begrüßt möglichen Abzug der US-Truppen
Der russische Präsident Wladimir Putin hat den angekündigten Abzug der US-Truppen aus Syrien begrüßt. Das sei eine richtige Entscheidung, sagte Putin am Donnerstag in Moskau vor Journalisten. Er teile auch weitgehend die Einschätzung von US-Präsident Donald Trump, dass die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien besiegt sei, sagte Putin.
Allerdings sehe er noch keine Anzeichen für den Abzug. Putin verwies darauf, dass US-Soldaten ohne internationales Mandat in Syrien seien.