"Das ist eine Lüge": Kreml dementiert Beteiligung am Flugzeug-Absturz
Zwei Tage nach dem mutmaßlichen Tod des russischen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz herrscht weiter Unklarheit über die Umstände.
Der Kreml bestritt am Freitag, den Befehl für den mutmaßlichen Tod von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin gegeben zu haben. "Das ist eine absolute Lüge", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
Der Fall des Flugzeugabsturzes müsse "auf der Basis von Fakten" behandelt werden.
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Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Donnerstagabend nur indirekt den Tod seines einstigen Günstlings, der als Chef der Privatarmee Wagner zwei Monate zuvor gegen ihn gemeutert hatte, bestätigt.
Lesen Sie weiters in diesem Artikel:
- "Großer Verlust": Kadyrow trauert um Prigoschin
- Kapustin: Wagner-Söldner sollen Prigoschins Tod rächen
- Absturz gibt weiter Rätsel auf
- US-Geheimdienste: Vermutlich Explosion an Bord
"Großer Verlust": Kadyrow trauert um Prigoschin
Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow hat den mutmaßlichen Tod des russischen Söldnerführers Prigoschin öffentlich betrauert.
"Sein Tod ist ein großer Verlust für den ganzen Staat", schrieb er in der Nacht zum Freitag auf seinem Telegram-Kanal, kurz nachdem Russlands Präsident Putin von einer Tragödie gesprochen hatte.
Den Angehörigen sprach er sein Beileid aus.
Kadyrow und Prigoschin waren beide mit ihnen unterstellten Truppen an Russlands Angriffskrieg in der Ukraine beteiligt. Dabei waren sie eine Zeit lang in ihrer Kritik gegen die russische Militärführung vereint, zerstritten sich am Ende aber schwer.
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"Wir waren seit langer Zeit befreundet", behauptete Kadyrow nun, zwei Tage nachdem Prigoschin mutmaßlich bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Auf Telegram postete er ein Foto, das ihn bei der Entgegennahme eines Ordens der Söldnertruppe Wagner aus den Händen Prigoschins zeigt.
Auf den Konflikt ging er nur am Rande ein. Prigoschin habe in den letzten Monaten das große Gesamtbild aus den Augen verloren. "Ich habe ihn gebeten, seine persönlichen Ambitionen hintenan zu stellen zugunsten von Angelegenheiten höchster Wichtigkeit für den Staat", schrieb er.
Tatsächlich galten Kadyrow und Prigoschin beide als Hardliner und forderten ein noch härteres Vorgehen Moskaus in der Ukraine. Viele Beobachter bezeichneten die Allianz der beiden allerdings als befristet, gehe es bei ihrer Kritik an der Militärführung doch vor allem darum, Vorteile für die eigenen Truppenteile herauszuschlagen. Tatsächlich endete das Bündnis, als Prigoschin Kadyrows Achmat-Truppen dafür kritisierte, nie an vorderster Front zu kämpfen. Daraufhin drohten die tschetschenischen Einheiten dem Wagner-Chef unter anderem Gewalt an.
Die von Prigoschin im Juni initiierte Meuterei versprach Kadyrow "mit harten Methoden" niederzuschlagen. Zu einer Auseinandersetzung zwischen Wagner- und Achmat-Einheiten kam es aber nicht; Prigoschin blies den Aufstand selbst ab.
Kapustin: Wagner-Söldner sollen Prigoschins Tod rächen
Der Kommandant des Russischen Freiwilligenkorps (RVC), Denis Kapustin, forderte die Kämpfer der Söldnergruppe Wagner auf, den Tod Prigoschins und ihres Kommandanten Dmitri Utkin zu rächen. "Ihr steht jetzt vor einer schweren Entscheidung. Ihr könnt euch in ein Wachhaus des russischen Verteidigungsministeriums stellen und als Wachhunde für die Vollstrecker Eurer Befehlshaber dienen oder Rache nehmen", sagte Kapustin in einer am späten Donnerstag veröffentlichten Videoansprache.
Um Rache zu nehmen, würden sie aber auf die Seite der Ukraine wechseln müssen. Der RVC ist eine Gruppe russischer Kämpfer, die auf ukrainischer Seite kämpfen.
Absturz gibt weiter Rätsel auf
Zwei Tage nach dem mutmaßlichen Tod des russischen Söldnerführers bei einem Flugzeugabsturz herrscht weiter Unklarheit über die Umstände. Russlands Präsident Putin bestätigte am Donnerstagabend nur indirekt den Tod seines einstigen Günstlings.
Allerdings geht auch die US-Regierung und der britische Geheimdienst offenbar von einem Tod Prigoschins aus.
US-Geheimdienste: Vermutlich Explosion an Bord
Die New York Times und andere US-Medien berichteten unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, dass vermutlich eine Explosion an Bord des Flugzeugs den Absturz ausgelöst habe.
Eine endgültige Schlussfolgerung sei bislang nicht gezogen, eine Explosion aber derzeit die wahrscheinlichste Begründung, schrieb die New York Times. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministerium sagte, es gebe keine Hinweise, dass der Jet von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden sei. Dies hatten Prigoschin nahestehende Webseiten und Kanäle in sozialen Medien gemutmaßt.
Es gibt noch keine definitiven Beweise dafür, dass Prigoschin an Bord des Flugzeugs war, das Mittwochabend abgestürzt ist. Es sei jedoch "sehr wahrscheinlich", dass er tot ist, erklärte das britische Verteidigungsministerium am Freitag.
"Das Ableben von Prigoschin hätte mit ziemlicher Sicherheit eine zutiefst destabilisierende Wirkung auf die Wagner-Gruppe", so das Ministerium in einem Update des Militärnachrichtendienstes, das auf der Social-Media-Plattform Twitter (X) veröffentlicht wurde.
Offizielle Bestätigung fehlt noch
Eine offizielle Identifizierung der Leiche Prigoschins durch die russischen Behörden stand bis Freitag noch aus. Putin sprach indes schon in der Vergangenheitsform von dem "talentierten Geschäftsmann" und Söldnerführer.
"Er war ein Mensch mit einem schwierigen Schicksal, und er hat ernsthafte Fehler gemacht", sagte er. Während der Meuterei der Wagner-Kämpfer gegen die russische Führung im Juni hatte Putin seinem langjährigen militärischen Handlanger Prigoschin Verrat vorgeworfen, ihm und seinen Gefolgsleuten dann aber die Ausreise nach Belarus ermöglicht.
Bei dem Flugzeugabsturz kamen zehn Menschen ums Leben. An Prigoschins Firmensitz in St. Petersburg und in anderen russischen Städten legten Trauernde Blumen nieder.
Prigoschin und seine Wagner-Truppe hatten zwar wegen ihrer verdeckten Auslandseinsätze und wegen ihrer Brutalität auch im Inland keinen guten Ruf.
Doch seine Kritik an Fehlern der russischen Militärführung machte ihn für viele Russen auch zu einem Helden. In sozialen Medien wurde der Vorwurf erhoben, das vermeintliche Flugzeugunglück sei in Wahrheit ein Attentat auf Prigoschin gewesen - eine Einschätzung, die auch viele westliche Politiker und Militärexperten vertreten.