Politik/Ausland

Wer dem britischen Premierminister Boris Johnson nachfolgen könnte

Um die Nachfolge des britischen Premierministers Boris Johnson bewerben sich bisher neun bekannte konservative Politiker. Am Sonntag kündigte Handelsministerin Penny Mordaunt ihre Kandidatur an - als viertes Mitglied der amtierenden Regierung. Es wurde damit gerechnet, dass zudem weitere Schwergewichte wie Außenministerin Liz Truss ihr Interesse bekunden würden. Eine neue Parteichefin oder ein neuer Parteichef könnte am 5. September feststehen, schrieb der Telegraph.

Premier Johnson hatte am Donnerstag nach massivem Druck aus seiner Partei seinen Rückzug angekündigt. Er will aber im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gekürt ist. Die Opposition fordert hingegen Johnsons sofortiges politisches Aus und eine Neuwahl. Auch in seiner Konservativen Partei gibt es entsprechende Stimmen. Die Tories haben im Parlament eine deutliche Mehrheit. Wer Parteichef wird, wird auch Premierminister.

Mordaunt betonte: "Unsere Führung muss sich ändern. Es muss weniger um die Person an der Spitze gehen und viel mehr um das Schiff." Die 49-Jährige hat sich als vehemente Brexit-Unterstützerin einen Namen gemacht und ist bei der Parteibasis sehr beliebt. Außer ihr bewerben sich aus dem aktuellen Kabinett auch Finanzminister Nadhim Zahawi, Verkehrsminister Grant Shapps und Chefjustiziarin Suella Braverman.

Favorit der Buchmacher ist derzeit Ex-Finanzminister Rishi Sunak, der von mehreren einflussreichen Tories unterstützt wird. Johnsons Anhänger werfen dem 42-Jährigen allerdings der Sonntagszeitung "Observer" zufolge vor, den Regierungschef hintergangen zu haben.

Weitere Kandidaten sind Ex-Gesundheitsminister Sajid Javid und die ehemalige Staatssekretärin Kimi Badenoch, die vorige Woche aus Protest gegen Johnsons Führungsstil zurückgetreten waren. Ihnen wird aber ebenso wie Sunak und den kandidierenden Ministern vorgeworfen, viel zu lange zu Johnsons zahlreichen Skandalen geschwiegen zu haben. Bewerber Jeremy Hunt, einst Außen- und Gesundheitsminister, betonte auch deshalb, er habe nie in Johnsons Kabinett gedient. Das gilt auch für den Chef des Auswärtigen Ausschusses im Parlament, Tom Tugendhat, einen ausgewiesenen Johnson-Kritiker.

"Ich bin mir sicher, dass wir noch ein paar Kandidaten bekommen, bevor wir die Nominierungsphase am Montag beenden, und dann geht der Auswahlprozess los", sagte Geoffrey Clifton-Brown vom zuständigen Parteikomitee dem Sender LBC. Medien hatten zuvor berichtet, die Bewerbungsfrist ende am Dienstag. Anschließend bestimmen die 358 Mitglieder der Tory-Fraktion in mehreren Wahlgängen, bei denen immer die Kandidaten mit den wenigsten Stimmen ausscheiden, zwei Bewerber. Dies soll bis zur Sommerpause des Parlaments am 21. Juli geschehen, wie Clifton-Brown sagte. Schließlich entscheiden die Parteimitglieder in einer Stichwahl über den Sieger oder die Siegerin.

Im Zentrum des Wahlkampfs stehen Fragen nach Steuersenkungen, um die Verbraucher angesichts der explodierenden Inflation zu entlasten, der Umgang mit der EU nach dem Brexit sowie die Zuwanderungspolitik.

Gegen Amtsinhaber Johnson gab es neue Vorwürfe. Er soll 2008 in seiner Zeit als Bürgermeister von London die Bewerbung einer jungen Frau für einen Job im Rathaus gefördert haben, die ihm wiederum vorwirft, sein Amt für eine sexuelle Beziehung zu ihr genutzt zu haben. Das legen Mitschnitte eines Gesprächs der beiden von 2017 nahe, die die "Sunday Times" veröffentlichte. Downing Street verwies auf Anfrage der Zeitung darauf, dass die Vorwürfe die Zeit vor Johnsons Zeit als Premierminister betreffen. Außerdem wolle man sich zum Privatleben des 58-Jährigen nicht äußern.