Politik/Ausland

Cameron regiert allein, Gegner geben auf

Nach der Wahl in Großbritannien überschlagen sich Ereignisse: Die Wahlprognosen lagen daneben, Premier David Cameron zog seinen Mitbewerbern davon. Seine Konservative Partei, die Tories, hat sogar die für eine Alleinregierung nötige absolute Mehrheit im britischen Unterhaus gewonnen. Sie erlangte laut Endergebnis 331 Mandate von 650 (325 wären nötig gewesen); vier Sitze aus Nordirland bleiben traditionell unbesetzt. Camerons Triumph ist komplett.

"Wir werden als Partei einer Nation regieren", sagte Cameron am Freitag, nachdem er Queen Elizabeth II. im Buckingham Palace um den Auftrag zur Regierungsbildung gebeten hatte. Den britischen Regionalparlamenten in Schottland, Wales und Nordirland sicherte er mehr Einflussmöglichkeiten zu und versprach erneut ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union.

Ein weiterer großer Gewinner der Parlamentswahl ist die Schottische Nationalpartei (SNP), die 56 der 59 schottischen Sitze im Parlament in Westminster erzielen konnte.

Abgänge im Gänsemarsch

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Lange Gesichter hingegen bei der Opposition: Der Labour-Herausforderer,Ed Miliband, tritt ab. Er übernahm am Freitag die Verantwortung für die Wahlniederlage der Sozialdemokraten und gratulierte Cameron zum Sieg. Bis ein neuer Parteichef gewählt ist, wird die stellvertretende Parteivorsitzende Harriet Harman Milibands Posten übernehmen. Miliband ist seit 2010 Labour-Chef, nachdem er seinen Bruder David bei einem Parteitag im Rennen um den Vorsitz knapp überflügelt hatte. Bei der Parlamentswahl enttäuschte er. Mit nur 232 Mandaten (minus 26) Sitzen erzielte Miliband ein deutlich schlechteres Ergebnis als sein Vorgänger Gordon Brown im Jahr 2010.
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Und auch die Liberaldemokraten müssen sich einen neuen Vorsitzenden suchen: Vize-Regierungschef Nick Cleggerklärte ebenfalls seinen Rücktritt als Parteichef. Die Wahlergebnisse seien "vernichtend", sagte Clegg am Freitag vor seinen Anhängern. Die Partei des 48-Jährigen hat nur noch acht Mandate bekommen. 2010 hatten die Liberaldemokraten noch 57 Parlamentarier entsenden können. "Ich muss die Verantwortung tragen, und ich trete als Vorsitzender der Liberaldemokraten zurück", so Clegg.

Farage scheitert

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Dritter im Bunde ist UKIP-Chef Nigel Farage: Der Chef der euroskeptischen Independence Party wird seine Partei nicht im britischen Parlament vertreten. Bei der Unterhauswahl verlor er nach Angaben aus der Wahlleitung vom Freitag im Wahlkreis South Thanet klar gegen den Kandidaten der Konservativen. Farage legte daraufhin den Parteivorsitz nieder. Er fügte jedoch hinzu, es werde im September eine Wahl der Parteiführung geben, und er werde sich über den Sommer überlegen, ob er noch einmal antrete.

Die UKIP, die einen sofortigen EU-Austritt des Landes fordert, war bei der Europawahl im Mai 2014 mit 27 Prozent stärkste Kraft in Großbritannien. Wegen des Mehrheitswahlrechts gewann sie nach bisherigem Auszählungsstand aber nur einen Sitz im Unterhaus.

Brexit-Angst

Nun sieht vor allem die EU gespannt nach London in die Downing Street: Cameron hatte im Wahlkampf erklärt, im Falle eines Sieges bis 2017 eine Volksabstimmung über die weitere Mitgliedschaft des Landes in der Europäischen Union abzuhalten. Brüssel muss den Briten, will es sie halten, überzeugende Angebote machen, glauben viele. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat Cameron seine Glückwünsche übermittelt, erklärte am Freitag ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Er verwies auf jüngste Aussagen Junckers, dass es angesichts der immer wieder genannten Forderungen der Briten einen "fairen Deal" geben sollte. Die vier Grundfreiheiten der EU seien aber unantastbar.

Mhairi Black: 20-Jährige kickt Labour-Manager aus dem Rennen. Mehr dazu hier.

Die Briten haben in einer Parlamentswahl, in der alle Prognosen wie so oft komplett danebenlagen, vor allem auf eines gesetzt: Stabilität und Kontinuität. Fünf Jahre Sparpolitik und soziale Härten hatten ihnen die Konservativen zugemutet: Und das heißt - gelernte Österreicher bitte anhalten - etwa eine staatliche Pension von etwa 80 Euro die Woche. Doch nach Jahren der Krise, die die Briten viel härter getroffen hatte als viele andere europäische Länder, schien sich im letzten Jahr erstmals ein Hauch von Aufschwung anzukündigen. Eine Tendenz, die die Konservativen in ihrem Wahlkampf als ihr Hauptargument einsetzten. Die Menschen glaubten es ihnen.

Nicht glauben wollten sie dagegen die Versprechen von Labour-Chef Ed Miliband, der ankündigte das Land wieder im Sinne der arbeitenden Menschen umbauen zu wollen, es also vor allem sozial gerechter zu machen. Das kaufte dem Elite-College-Absolventen, der vor fünf Jahren noch für Kurzzeit-Labour-Premier Gordon Brown gewerkt hatte und dessen Bruder unter Tony Blair Außenminister gewesen war, keiner ab. Miliband steht, auch wenn er sich heute als linientreuer Linker verkauft, auch für jene Jahre der sozialdemokratischen Labour-Regierung, in der man sich soziale und linke Grundsätze für Parteitage aufhob und im politischen Alltag pragmatisch blieb und lieber bei den Sozialausgaben sparte als Großbritanniens Reichen höhere Steuern aufzubürden, oder das Banken- und Finanzspekulationszentrum London etwas mehr unter Kontrolle zu bringen. Jetzt also vor die Entscheidung gestellt, weitere Jahre mit sozialen Härten, aber möglicherweise doch mit der Aussicht auf wirtschaftlich rosigere Zeiten weiterzumachen, oder sich an eine politisch wenig glaubwürdige Wende nach links anzuhängen, haben die Briten klar auf Kontinuität gesetzt. Die Spielregeln der Konservativen kennen sie zumindest, auch wenn die ihnen oft hart zugesetzt haben.