Politik/Ausland

Gestrandet: 108 Iraner sitzen seit Monaten in Wien fest

Aileen D. hat viel erlebt als Christin im Iran. Die Familie der assyrisch-armenischen Iranerin stellte ihr Haus, nahe Teheran, für Messen zur Verfügung. Sie war bekannt für ihren Glauben und für ihre Aktivitäten in der Kirche.

Benachteiligungen durch den islamisch geprägten Staat waren Alltag für Aileen. Polizisten schlugen einmal ihrer Schwester die Nase blutig – einfach so, erzählt die 40-Jährige. Die Familie hielt durch. Es war ihr wichtig, für die christliche Gemeinschaft in der Heimat da zu sein.

Doch eines Tages beschlossen sie, zu gehen. Das war, als der Mann von Aileens Schwester, der für sie zum Christentum konvertiert war, von seiner Familie und von der Polizei bedroht wurde. Muslimen, die zum Christentum konvertieren, droht im Iran die Todesstrafe. Er musste über Nacht zu Fuß fliehen. Aileens Mutter und zwei ihrer Schwestern entschieden sich, in die USA auszuwandern. Die Organisation HIAS (Hebrew Immigrant Aid Society)half ihnen dabei.

Auf der Durchreise

Mit der Unterstützung der Gruppe, die weltweit für verfolgte Minderheiten US-Asyl organisiert, machen sich jedes Jahr Hunderte Iraner auf den Weg in die USA. Die Erfolgsquote lag bis dahin nahe 100 Prozent. Weil es im Iran keine US-Botschaft gibt, werden die Ausreisenden seit Jahren über Österreich in die USA geschickt. Hier werden die Papiere für die Weiterreise ausgestellt. Das dauert gewöhnlich ein paar Wochen.

Aileen und die anderen Iraner, assyrische und armenische Christen, Mandäer und Zoroastrier, hatten bereits offizielle Zusagen aus den USA. Die Reise und den Aufenthalt in Wien haben sie aus eigener Tasche bezahlt.

Doch dann – Anfang 2017 – die Hiobsbotschaft. Die USA lehnten für 108 Iraner die Anträge ab. „Wir waren schockiert“, sagt Aileen. Sie konnte nicht glauben, dass sie abgelehnt wurden. „Wir haben alle Verwandte, die schon in Amerika sind.“ Einige Familien seien regelrecht auseinandergerissen worden, weil manche bereits früher ausgewandert waren.

Dann der Verdacht: Im Jänner unterzeichnete der damals gerade angelobte US-Präsident Donald Trump den Executive Order 13769, den sogenannten „Muslim Ban“, also Einreiseverbote für Bürger muslimisch geprägter Staaten. Dass von den 108 abgelehnten Iranern keiner Muslim war, tat nichts zur Sache.

Den Grund für die Ablehnung der gestrandeten Iraner konnte die US-Botschaft auf KURIER-Anfrage nicht nennen. Sie sei jedenfalls nicht auf den Muslim-Ban zurückzuführen, sondern auf frühere Änderungen bei der US-Flüchtlingsaufnahme, nämlich schon 2016, als noch Barack Obama Präsident war.

Kein Zurück mehr

Jetzt standen sie da, in Wien, wo sie eigentlich gar nicht hin wollten. Kein Geld mehr, keine Möglichkeit nach Amerika zu kommen und auch kein Zurück mehr. Abgesehen von den Repressalien, die sie als Minderheit bereits im Iran erfahren hatten, würden sie als „Verräter“, die das Land verlassen wollten, noch viel Schlimmeres erwarten. Und gleichzeitig lief das Transitvisum in Österreich aus. Die Iraner rutschten in die Illegalität. Konnten nicht arbeiten, nicht zum Arzt, sich nicht legal um eine Unterkunft kümmern.

Da wurde die Erzdiözese auf die Gruppe aufmerksam. Kardinal Christoph Schönborn und Anwalt Manuel Baghdi setzten sich für sie ein und riefen zu Spenden auf. „Es spielte nie eine Rolle, ob es Christen sind“, heißt es aus der Erzdiözese. Es sei „irrelevant, welcher Religion, Nationalität oder Ethnie ein Mensch angehört, der in Österreich in Not geraten ist. Bei dieser Gruppe sind zahlreiche Menschen keine Christen“.

Auch die Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler (ÖVP) begann, bei der Alltagsbewältigung zu helfen. Gemeinsam suchte man leistbaren Wohnraum, Plätze in Fußballvereinen, Ärzte, die sich kostenlos um Patienten aus der Gruppe kümmerten. „Überraschend schön war“, sagt Kugler, „dass sich ein ehemaliger Parlamentskollege (der FPÖ, Anm.), ein Zahnarzt, zu einer Behandlung bereit erklärt hat.“ Das zeige ihr: „Viele wollen helfen.“

Alle Inhalte anzeigen

Die 108 Iraner sind mittlerweile in die Grundversorgung aufgenommen worden und die meisten haben um Asyl in Österreich angesucht. Ein paar haben sogar schon den positiven Bescheid. Es habe etwas Zeit gebraucht, den ursprünglichen Plan abzuschreiben und sich mit den neuen Gegebenheiten abzufinden, sagt Aileen. Jetzt lernt sie Deutsch und ist glücklich, in Österreich zu sein.