Gekommen, um zu fressen: Heuschrecken verwüsten Ostafrika
Von Michael Hammerl
Das Coronavirus dominiert die Schlagzeilen, versetzt Menschen in Schrecken. Abgesehen von wenigen Todesfällen in China, ist aber nicht viel passiert. Eine echte Plage und Bedrohung erleben dagegen Ostafrika und Pakistan: eine Heuschreckenplage von biblischem Ausmaß, zumindest die schlimmste seit Jahrzehnten. Auf eine lange Dürreperiode folgten Regen und Überschwemmungen. Für die Insekten perfekte Bedingungen, um zu brüten.
Die Food and Agriculture Oganization (FAO) schlägt Alarm. In Somalia sind mittlerweile 70.000 Hektar Land zerstört. "Die hereinbrechenden Schwärme können so dicht sein, dass sich der Himmel geradezu verdunkelt", sagt Raphael Thurn-Valsassina, Nothilfekoordinator der Caritas für Kenia und den Südsudan, dem KURIER.
Kenia wird etwa von einem 2.400 Quadratkilometer großen Schwarm verwüstet, auch Äthiopien und Eritrea trifft die Plage.
Bereits ein Schwarm ist hochgefährlich
Ein Quadratkilometer an Heuschrecken kann an einem Tag so viel fressen, wie 35.000 Menschen essen. "Ein einziger Schwarm kann die Ernährungsgrundlage der betroffenen Bauern über Monate hinweg zerstören", sagt Thurn-Valsassina, der von der schlimmsten Plage in Kenia seit den 1950er-Jahren spricht.
Viele Ostafrikaner leben in kleinbäuerlichen Strukturen, sind von der Witterung abhängig. Schon jetzt haben 25,5 Millionen Menschen laut Schätzungen nicht genügend zu essen. Örtliche Behörden waren nicht vorbereitet. Laut FAO werden etwa 63 Millionen Euro benötigt, um die Plage einzudämmen.
Caritas warnt vor "verheerender Situation"
Die FAO fordert schnelles Handeln: Die Schwärme seien "beispiellos in ihrer Größe und ihrem Zerstörungspotenzial". Experten vermuten – wie bei den Buschbränden in Australien – auch hier einen Zusammenhang mit dem Klimawandel. Während in Australien eine historische Dürreperiode die Ausbreitung der Brände begünstigt hat, nahmen im Süden der Arabischen Halbinsel und in Ostafrika zuletzt die Niederschläge zu. Bestätigt sich dieser Trend, stehen weitere Heuschreckenplagen bevor.
Nach einer langen Dürreperiode hatten die Menschen in Ostafrika bereits mit Mangelernährung zu kämpfen. "Es kam zwar am Ende des letzten Jahres der langersehnte Regen, aber teilweise in Form von Starkregen, was zu Überschwemmungen führte und Zerstörung von lokaler Infrastruktur und Häusern bewirkte", erklärt Thurn-Valsassina. Die Caritas ist im kenianischen Marsabit tätig. Auf einer Fläche, die so groß ist wie Österreich, leiden Bauern und Viehhirten unter der Plage. Thurn-Valsassina warnt: "Die Ernährungssituation in den kommenden Monaten könnte ein wirklich verheerendes Ausmaß annehmen."
Kurz vor der Erntezeit
Das große Problem: Heuschrecken effektiv zu bekämpfen, ist schwierig. Kenias Regierung sprüht Pestizide aus Flugzeugen. Das ist die wirksamste Möglichkeit. "Die Regierung kämpft aber bereits mit ersten Engpässen bei den Pestiziden, weil das Ausmaß der Plage die Behörden aufs Äußerste fordert", sagt Thurn-Valsassina. Zudem gestalte sich die Koordination der Einsätze schwierig. Gemeinsam mit Partnern versucht die Caritas nun zu erfassen, wo was abgefressen wurde und wo sich wann Heuschreckenschwärme aufhalten. Das Ziel: Die lokale Bevölkerung vorwarnen und effektiv unterstützen.
Daniele Donati, Vize-Leiter für Notfälle bei der FAO, befürchtet: Bekommt man die Heuschrecken nicht unter Kontrolle, könne ihre Zahl bis Juni auf das 500-Fache anwachsen. Besonders bitter: Bereits im März beginnt in Ostafrika die Erntezeit.
Kennwort „Klimawandel Ostafrika“
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Pakistan: 50 Prozent der Ernte kaputt
Im Süden Pakistans wüten seit Juni Millionen von Wüstenheuschrecken. In der ohnehin armen Provinz Sindh sind mehr als 4.000 Hektar Weizenfelder sowie Pflanzungen etwa von Baumwolle und Mais beschädigt, sagte der Vizepräsident der örtlichen Landwirtschaftskammer, Nabi Baksh Sathio, im Dezember. Es sei zu befürchten, dass die Weizenernte in der Provinz um mindestens 50 Prozent einbreche.
Mehr als 1.000 Menschen seien mit Maschinen und zwei Flugzeugen täglich im Einsatz, um Pestizide zu versprühen, sagte Ismail Rahu, der Agrarminister der Provinz. Seinen Angaben zufolge stammen die Heuschrecken aus dem Jemen und gelangten über den Iran nach Pakistan.