Frankreich im Krieg gegen die Dschihadisten
Von Danny Leder
"Vernichten, vernichtet" – die beiden Formen desselben Begriffs wurden vom französischen Premier Manuel Valls in den vergangenen zwei Tagen verwendet. Am Sonntag, als er aus einem Militärspital kam, wo Hinterbliebene von Opfern der Terroranschläge psychologisch betreut werden, sagte er: "Ich traf Familien, die durch den Verlust eines Angehörigen vernichtet wurden." Am Vorabend hatte er im TV erklärt: "Wir stehen im Krieg, er wird vielleicht Jahre dauern, aber wir werden ihn gewinnen. Wir werden Schlag auf Schlag antworten und diese Terrorarmee zerstören. Auf unserem Territorium, in Syrien und im Irak. Wir werden diesen Feind vernichten."
Frankreich bombardiert IS in Syrien - und weitere Ereignisse vom Sonntag
Der Zusammenhang zwischen dem Massaker und dem Wunsch, es den Auftraggebern dieser Morde, also dem selbst ernannten "Islamischen Staat" (IS), heimzuzahlen, ist logisch. Aber es stellt sich auch die Frage, in wie weit die französische Führung imstande ist, solche Ankündigungen in einer für Frankreich verträglichen Weise einzulösen. Und inwieweit ein verhaltener Ton nicht wirksamer wäre.
"Gnadenlos"
Etwa ein Ton, wie ihn Staatschef François Hollande benützt: "Wenn die Terroristen imstande sind, derartige Gräuel zu verüben, können sie sicher sein, auf ein vereintes und gnadenloses Frankreich zu stoßen."
Diejenigen, die eine allzu aktive Gegenwehr ablehnen, befürchten eine endlose Verstrickung Frankreichs im Krieg in Syrien. Die französische Luftwaffe fliegt dort seit wenigen Monaten Einsätze gegen den IS . Bei Nachfrage merkt man, dass junge Muslime diese Operationen mit Unbehagen registrieren.
Luftangriffe
Viele Muslime verstehen selbstverständlich die Notwendigkeit, das tyrannische und aggressive IS-Regime zu bekämpfen, so wie sie auch französische Militäreinsätze gegen Dschihadisten in Afrika billigen. Vor allem weil ja seit den Anschlägen vom Jänner in Paris der IS neuerlich und wiederholte Male Anhängern in Frankreich Aufträge für Attentate erteilte. Erst daraufhin erfolgen die – gezielten – Luftangriffe auf Trainingslager der Dschihadisten. Diesen Sonntagabend bombardierte Frankreichs Luftwaffe, als erste Vergeltung auf die Terroranschläge, die IS-Hochburg Rakka in besonders massiver Weise.
Es bleibt nichtsdestotrotz Fakt, dass die rund fünf Millionen französischen Muslime fast ausnahmslos Sunniten sind, und dass im Kontext des irakischen Bürgerkrieges der "Islamische Staat" vielen Sunniten zumindest als das geringere Übel gegenüber den starken schiitischen Milizen und der massiven iranischen Einflussnahme erscheint. Diese Sicht kann vor allem Jugendliche in Frankreichs sozialen Krisenviertel radikalisieren.
Hollande versuchte bisher dieses Problem zu umschiffen, indem er nie wörtlich vom "Islamischen Staat" sprach, sondern nur immer das arabische Kürzel "Daesch" benützte. Was ihm wiederum den Vorwurf einbrachte, er würde "den Feind nicht beim Namen nennen".
Vor allem aber profilierte sich Hollande als der entschlossenste westliche Unterstützer des Aufstands gegen Assad in Syrien, einem Hauptanliegen der sunnitischen Muslime. Hollande versucht auch bei den – sunnitischen – Golfstaaten die USA als privilegierten Verbündeten zu übertrumpfen, seit die USA dem Iran verständnisvoller entgegentreten. Was sich in erfolgreichen Verkaufsabschlüssen für die französische Militärindustrie niedergeschlagen hat.
"Hollandes Bauchtanz"
Die Anti-Assad-Haltung von Hollande wird aber vom Chef der konservativen Opposition Nicolas Sarkozy und der Nationalistin Marine Le Pen kritisiert. Letztere spricht von "Hollandes Bauchtanz vor den Scheichs des Golfs, die den IS-Terrorismus finanzieren". Frankreich müsse, so fordern Sarkozy und Le Pen, sich im Kampf gegen die Dschihadisten mit Russland verbünden und alle Vorbehalte gegen Assad beiseitelegen.
Wenig aussetzen kann die rechte Opposition freilich an der jüngsten sicherheitspolitischen Ansage von Hollande: demnach soll der soeben ausgerufene Ausnahmezustand auf drei Monate ausgedehnt werden. Am Mittwoch wird das Parlament darüber beraten.