Krach am rechten Rand: Europas Rechtspopulisten wieder einmal vor Spaltung
Von Konrad Kramar
Selbst der Verweis auf Literaturnobelpreisträger Günter Grass konnte da nichts mehr retten. So versuchte Maximilian Krah, Spitzenkandidat der deutschen AfD bei den EU-Wahlen am 9. Juni, seinen mehr als verunglückten Kommentar zu rechtfertigen. Nicht jeder, der die Uniform der SS getragen habe, hatte er gegenüber der italienischen Zeitung "La Repubblica" gemeint, sei automatisch ein Verbrecher gewesen. Grass eben, so versuchte sich Krah nachher hektisch zu rechtfertigen, sei ja auch bei der SS gewesen. Doch so einfach ließ sich der politische Schaden nicht gutmachen - und der reicht weit über die AfD hinaus.
Le Pen kündigt Zusammenarbeit auf
Denn die wichtigste Fraktion im ohnehin losen Bündnis der Rechtspopulisten im EU-Parlament will jetzt von der AfD endgültig nichts mehr wissen. Frankreichs Rassemblement National mit Parteichefin Marine Le Pen hat nach dem SS-Sager Krahs die Zusammenarbeit aufgekündigt. Für die ID ("Identität und Demokratie"), so der Name des Rechtsaußen-Bündnisses, zum dem auch die FPÖ gehört, der denkbar schwerste Schlag. Denn damit könnten alle Träume, nach den EU-Wahlen eine gewichtiger Rolle in der EU-Politik zu spielen, platzen.
Immer wieder Streit und Spaltung
Schon vor einigen Wochen war ebenfalls Streit zwischen Deutschland und Frankreichs Rechtspopulisten ausgebrochen. Damals war es die Forderung der AfD nach "Remigration" von EU-Bürgern mit Migrationshintergrund, also deren zwangsweise Rückkehr in die ehemalige Heimat, oder die ihrer Vorfahren. Für Le Pen, die ja im ehemaligen Kolonialstaat Frankreich auch um die Stimmen von Millionen von Franzosen aus den einstigen Kolonien wirbt, ein inakzeptabler Gedanke.
Bruch mit FPÖ-Vermittlung gekittet
Im letzten Moment war der Konflikt noch begradigt worden - auch durch Vermittlung der FPÖ - doch zwischen der AfD und Le Pen ist offensichtlich auf Dauer keine tragfähige Partnerschaft möglich.
Schließlich sieht sich die Französin auch als Trägerin des ohnehin chronisch angekratzten Nationalstolzes der Franzosen und ihrer "Grande Nation" - und der ist mit dem deutschnationalen Gedankengut der AfD kaum vereinbar.
Chronisch reparaturanfälliges Bündnis
Doch das ID-Bündnis im EU-Parlament hat nicht nur wegen der AfD ständig mit inneren Zerwürfnissen zu kämpfen. Der offene Widerspruch zwischen dem Nationalismus, den alle Rechtspopulisten ständig vor sich her tragen und einer wie auch immer gearteten gemeinsamen EU-Politik tritt in zahlreichen Konflikten zutage. So triumphiert der Italiener Matteo Salvini mit seiner Lega lautstark, wenn Italien beim Streit um den Lkw-Transit über den Brenner gegenüber Österreich punktet, oder er wettert gegen Südtirol. Beides politisch heikle Themen für die FPÖ, die da unweigerlich genau auf der Gegenseite steht.
Großes Sesselrücken am rechten Rand nach der Wahl
Unklar bleibt also, ob sich nach der EU-Wahl nicht das rechte Lager im EU-Parlament wieder einmal komplett neu formiert. Das rechtskonservative EKR-Bündnis, zu dem etwa Italiens Premieministerin Meloni mit ihrer Partei gehört, könnte etwa auch für Le Pen eine Anlaufstelle sein. Die hat gegenüber ihrer einstigen Widersacherin Meloni ohnehin schon auf Versöhnung geschaltet und spricht von gemeinsamen Interessen. Dem von allen Umfragen vorhergesagte Triumph der Parteien am rechten Rand bei der EU-Wahl könnte sofort ein handfester interner Streit folgen.