Finnlands junge Ministerinnen werden Zielscheibe von Hass
Von Jens Mattern
Finnland gilt als Musterland der Gleichberechtigung, hier regiert mit Sanna Marin, 35, Europas jüngste Regierungschefin. Nun zeigt eine Studie, wie sehr Marin und andere Ministerinnen in Sozialen Netzwerken mit frauenfeindlichen Beleidigungen angegriffen werden. „Hündinnen mit Lippenstift“, „Tamponbande“, „Strumpfhosenregierung“ sind laut Medien nicht die schlimmsten Bezeichnungen.
Nach einer Analyse des Instituts „Stratcom“ hat der Hass ein Ausmaß angenommen, das die Demokratie in Finnland gefährdet.
Die Organisation mit Sitz in Lettland gehört zur NATO und ist primär mit russischer Desinformation befasst.
"Kommt drüber hinweg"
Auch Jussi Toivanen, Kommunikationsexperte der Regierung, nimmt das laut Studie „koordinierte Mobbing“ ernst. Als Urheber gelten Finnen rechter Gesinnung. „Ja, Frauen regieren. Kommt drüber hinweg“, twitterte Marin selbstbewusst als Reaktion.
Sie postete ein Foto mit vier Ministerinnen der 2019 geschmiedeten Koalition aus Sozialdemokraten, Zentrumspartei, Linkspartei, Grünen und Schwedischer Volkspartei.
Die Frauen-Dominanz im Kabinett bestätigt das progressive Bild Finnlands, das etwa ganz selbstverständlich Feminismus als Element der Außenpolitik versteht. Durch die Pandemie kam Finnland mit 808 Todesopfern bisher relativ glimpflich. 62 Prozent der Wahlberechtigten sind mit der Regierung zufrieden.
„Traditionelle Werte“
Doch nicht alle der 5,5 Mio. Bewohner des ursprünglich von Forstwirtschaft lebenden und eher konservativen Landes wollen oder können mit dem Wandel Schritthalten. Dies lässt sich an der rechten Partei „Die Finnen“ festmachen, die die Sozialdemokraten in aktuellen Umfragen knapp überholt hat. Sie ist gegen Zuwanderung und verspricht eine Art Rückkehr in ein Finnland mit mehr „traditionellen Werten“.
"Gutmenschen"
Parteichef Jussi Halla-aho tritt leise und verhalten auf, sagt jedoch teils Ungeheuerliches.
So wünschte er „Gutmenschen“ und Anhängern der Grünen, dass sie vergewaltigt werden, da die sexuellen Übergriffe durch Zuwanderung stiegen.
Konzerne wie Microsoft, Youtube, Twitter und Facebook haben sich zwar verpflichtet, Hass-Inhalte binnen 24 Stunden zu entfernen, doch kommen die Unternehmen aufgrund der Masse mit dem Löschen nicht hinterher.