Koalition der Widersprüchlichen: Finnland rückt nach rechts
Von Sarah Emminger
Eine Kürzung des Arbeitslosengeldes nach nur ein paar Wochen ohne Job, unbezahlte Krankheitstage und weniger Subventionen: Was Finnlands neue Mitte-rechts-Regierung vor hat, findet nicht nur die Sozialforscherin Karina Jutila gegenüber dem finnischen Sender Yleisradio „ganz schön hart“.
Donnerstagabend verkündete das Vier-Parteien-Bündnis – bestehend aus den Konservativen, der rechtspopulistischen Partei Die Finnen, der Schwedischen Volkspartei und den Christdemokraten –, nach siebenwöchigen Verhandlungen offiziell die Bildung einer Koalition. Für finnische Verhältnisse zogen sich die Gespräche damit deutlich länger hin als üblich.
Sorge um Schwächere
Experten sind nun besorgt, dass die Regierung unter dem konservativen Wahlsieger Petteri Orpo in den nächsten Jahren eine Politik machen wird, die finanziell Schwächere noch schwächer machen und Ungleichheiten fördern könnte. „Leistungen für Geringverdiener zu kürzen, kann die Gesellschaft drastisch verändern“, warnt Jutila etwa.
Von Noch-Ministerpräsidentin Sanna Marins Sozialdemokraten, die in die Opposition wechseln müssen, heißt es, die normalen Lohnempfänger würden „für die harte Politik der rechten Regierung zur Kasse gebeten“.
Viele Probleme
Marin-Nachfolger Orpo versucht, die Kritik an seinem Bündnis klein zu halten, und weist auf die schwierige Lage hin, in der Finnland sich befindet.
Seit vielen Jahren steigt die Staatsverschuldung. Pandemie und der Angriffskrieg von Nachbar Russland gegen die Ukraine haben sie verstärkt. Die Inflation belastet den Mittelstand, und es gibt zahlreiche Probleme im öffentlichen Gesundheitssystem.
„Wir müssen die Ersparnisse aller zusammenkratzen“, so Orpo. Die Unzufriedenheit mit diesen Problemen dürfte dazu geführt haben, dass Orpos Konservative bei den Parlamentswahlen im April stärkste und Riikka Purras Rechtspopulisten zweitstärkste Kraft waren.
Mit Orpo und Purra verbünden sich zwei umstrittene Persönlichkeiten. Die einen finden den langjährigen Politiker Orpo langweilig und sehen in ihm jemanden, der mit finnischen Ängsten wie der Staatsverschuldung spielt. Andere halten den 53-Jährigen für einen effektiven Unternehmer mit pragmatischen Ansätzen.
Früher Grün, nun Rechts
Purra gilt sowieso als eine widersprüchliche Politikerin. Der Klimawandel hat die heute 46-Jährige politisiert, einst studierte sie Umweltwissenschaften und wählte die Grünen. 2021 übernahm sie die immer weiter nach rechts gedriftete Finnenpartei. Sie wird als sehr intelligent und zuverlässig eingeschätzt, aber auch als kalt beschrieben. Medien nennen sie oft eine „Anti-Marin“.
Mit dem Rechtsruck in Helsinki dürfte sich in den nächsten Jahren einiges ändern. Neben den Einsparungen bei Sozialausgaben steht auch eine strengere Migrationspolitik, Purras Herzensthema, an. Wer Finne werden will, muss künftig wohl länger die aktuell fünf Jahre im Land gelebt haben. Gleichzeitig sollen die Voraussetzungen für die Staatsbürgerschaft verschärft und der Familiennachzug eingeschränkt werden.