Politik/Ausland

EU-Hotspots: Fingerabdruck, Asylantrag, Abtransport

Die Gipfel-Entscheidungen sind getroffen, die Konflikte zumindest provisorisch gekittet, jetzt will man in Brüssel endgültig Tempo machen.

Bis Ende November – so ist von den zuständigen EU-Behörden zu hören – soll das Herzstück der neuen EU-Strategie in der Krise funktionstüchtig sein: Die Hotspots. In diesen Erstaufnahme-Einrichtungen, direkt an den EU-Außengrenzen sollen die Flüchtlinge identifiziert, registriert, vor allem aber rasch und organisiert in andere EU-Staaten weitergeleitet werden.

Rückschiebung vor Ort

Eingerichtet sollen sie von den betroffenen Mitgliedsländern werden, doch die EU liefert technische Ausrüstung, Experten, Beamte und Helfer. Zuständig für diese praktische Unterstützung sind unter anderem die EU-Grenzschutzagentur Frontex und die für Asylhilfe zuständige EASO. Frontex übernimmt neben der Erstaufnahme der Flüchtlinge an der Grenze auch Identifizierung und Registrierung der Flüchtlinge samt Fingerabdrücken und gemeinsam mit der Polizei auch die Kontrolle der Dokumente. Die EASO kümmert sich dann um die Asylanträge. Diese sollen gleich in den Hotspots entgegen genommen und grob gesichtet werden. Für Fälle, bei denen schon aufgrund des Herkunftslandes klar ist, dass kein Anspruch auf Asyl besteht, soll schon in den Hotspots die Rückführung in die Herkunftsländer organisiert werden.

Alle anderen werden, entsprechend eines von der EU festgelegten Verteilungsschlüssels, in andere EU-Mitgliedsländer gebracht. Dort sollen ihre Asylanträge weiter bearbeitet werden.

Die ersten Hotspots sollen natürlich in den am meisten betroffenen Staaten Italien und Griechenland eingerichtet werden. Für Italien sind die Pläne inzwischen detailliert, die Vorbereitungen laufen. Die Stadt Catania wird das Zentrum für die Operation: In fünf Häfen und natürlich auch in Lampedusa werden die Aufnahmezentren eingerichtet. Auf Lampedusa, seit Jahren Brennpunkt der Krise, sieht man den EU-Aufmarsch vorerst skeptisch. "Frau Merkels Hotspot, den gibt es bei uns schon lange", meint der Bürgermeister, und Italiens Premier Matteo Renzi erklärt, sein Land sei bereit für die Hotspots, "aber Europa muss die Flüchtlinge auch wirklich auf andere Länder verteilen."

Schwieriger wird es in Griechenland. Die Dutzenden, teils winzigen Inseln, auf denen Flüchtlinge ankommen, machen es fast unmöglich, überall Hotspots einzurichten. Jetzt plant man die Menschen per Schiff nach Piräus zu bringen und erst dort durch die Erstaufnahme zu schleusen.

Trotz dieser zahlreichen praktischen Probleme mit der Aufnahme und Registrierung von Flüchtlingen beurteilen Experten die Entscheidungen der vergangenen Tage positiv. Daniel Gros, Leiter des angesehenen Brüsseler Thinktanks Centre for European Policy Studies (CEPS), findet, dass die EU mit dem Mehrheitsbeschluss "den richtigen Weg zu einer gemeinsamen Asylpolitik eingeschlagen hat".

Gruppentherapie

Nach all dem Flüchtlingschaos, den politischen Konflikten und gegenseitigen Schuldzuweisungen der vergangenen Wochen verteidigt Gros den Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs. "Das war eine dringend nötige gruppentherapeutische Sitzung", in der jeder offen kommunizieren konnte. Nur so seien wieder Vertrauen unter den Regierungschefs und ein gemeinsames Verantwortungsgefühl möglich, analysiert Gros im Gespräch mit dem KURIER.

Was jetzt noch rasch getan werden müsse, ist neben den Hotspots der Aufbau einer lückenlosen Grenzkontrolle. Multinational zusammengesetzte Teams von Polizisten und Experten, die mit moderner Technik ausgerüstet sind, werden bis Jahresende gebildet und sollen dann entlang der EU-Außengrenze patrouillieren. Dann werden illegale Grenzübertritte kaum noch möglich sein.