Platzhirsch Privatschule: Britische Privatschüler schwimmen im Grünen
Von Anna-Maria Bauer
Rishi Sunak betont dieser Tage gerne seinen Verzicht. Es ist der Versuch des englischen Premiers, nahbar zu wirken. Als Kind, meinte er zuletzt, sei ihm das Sky Abo verwehrt worden, weil seine Eltern alles in die Erziehung gesteckt hätten.
Das stieß den Briten nicht nur deshalb sauer auf, weil vier von zehn Engländern ums Überleben kämpfen und an Unterhaltung nicht zu denken ist. Das Bild hinkt zudem: Man hätte in den 1990ern, als Sunak zur Schule ging, das Sky-Abo, das damals 6 Euro kostete, nämlich 2.000 Monate einsparen müssen, um auf die einstigen Schulgebühren von umgerechnet 10.000 Euro an der Eliteschule Winchester College zu kommen.
Bei den heutigen Kosten von 60.000 Euro im Jahr müsste man sogar 833 Jahre ohne Sky auskommen.
Ein Blick auf das College in Winchester offenbart aber eien noch viel größere Diskrepanz zwischen gemeinem Volk und privilegierten Privatschülern.
101 Hektar Grünfläche
Wer in der einstigen englischen Hauptstadt Winchester von der Hauptstraße abbiegt und dem Fluss Itchen folgt, findet sich schnell inmitten einer ausschweifenden Grünfläche wieder. Man sieht vielleicht eine Gruppe Jugendlicher beim Fußballmatch. Oder bei einer Runde Cricket. Mitunter bei einer Partie Tennis.
Doch selbst kann man hier keine Sportstunde buchen. Die insgesamt 101 Hektar Grünfläche (das sind 141 Fußballfelder) sind den Schülern des Winchester College vorenthalten. Wenn dann auch noch der neue Komplex, der sich gerade im Bau befindet, fertiggestellt ist, wird den Schülern auch ein Swimming Pool, Squash Courts und ein Tanzstudio zur Verfügung stehen.
140 Mal so viel in Eton
Es geht aber noch etwas üppiger. Das prestigeträchtige Eton College, das Prinz William oder Boris Johnson besucht haben, stellt seinen Schülern insgesamt rund sechs Quadratkilometer Grünfläche zur Verfügung. (Das sind 840 Fußballfelder.)
Und - ergab nun eine Analyse des Guardian - das ist in etwa 140-mal mehr Platz als der typische englische Teenager in seiner Schule erhält.
Die Schere zwischen Privatschülern und Schülern öffentlicher Schulen ist eklatant: „Die 250 besten Schulen besitzen zusammen eine atemberaubende Fläche von 38.086 Hektar Land“, schrieb der Guardian zu Wochenbeginn.
Sie haben Golfplätze, Ruderseen oder Pferdeställe. „Das ist ein verblüffender Kontrast zum staatlichen Schulsystem, wo der durchschnittliche Schüler nach Berechnungen des Guardian nur Zugang zu einem Zehntel der Freifläche hat.“
Privates soll öffentlich werden
Aktivisten versuchen das seit längerem zu ändern. Bereits 2015 hatte der frühere Sportminister Lord Moynihan gefordert, dass Privatschulen ihre Sportplätze den örtlichen Gemeinden und staatlichen Schulen zur Verfügung stellen sollten.
„Unabhängige Schulen, die Wohltätigkeitsorganisationen sind, müssen (...) Sportanlagen und Coaching-Expertise zu teilen”, zitierte ihn der Independent. Bis dato kam es zu keinem Durchbruch. Doch es gehe dabei um mehr als nur die Sportmöglichkeiten während des Schulalltags, meinen die Kritiker.
Von den insgesamt neun Millionen Schülern in England besuchen nur rund 2,7 Prozent Privatschulen. Sie machen dann aber zwei Drittel der Richter und zwei Fünftel aller Politiker im Land aus. In einer Gesellschaft, in der noch vor zwei Jahren acht Eliteschulen mehr Schüler nach Oxford und Cambridge schickten als fast 3.000 andere staatliche Schulen im Vereinigten Königreich, regieren die „Posh Boys“, schreibt Fiona Millar im The New European.
Eine Öffnung, wenn auch nur zeitweilig für den Sportunterricht, könnte das vielleicht aufweichen.
Jeder dritte Schüler ohne Frühstück
Den Schülern der öffentlichen Schulen fehlt es unterdessen nicht nur am Turnsaal. Jedes dritte Kind beginnt in dem Land den Schultag mit knurrendem Magen, weil das Geld für das Frühstück nicht gereicht hat.
„Es gibt alle möglichen Arten von Ungleichheit in der Welt“, sagte David Kynaston, Historiker und Mitautor von „Engines of Privilege; Britain’s Private School Problem“, unlängst zum Guardian. „Aber für mich ist die Ungleichheit bei Kindern eine der schlimmsten. Diese Jahre sind so lebensprägend, sie bestimmen so viel. Man will eine faire Chance für jedes Kind, nicht dieses grotesk verzerrte System.“