England: Aus für Quarantäne für Infizierte und Gratistests
Von Georg Szalai
Ob die Aufhebung der letzten Covid-Restriktionen in England ein „stolzer“, „kniffliger“ oder „unkluger“ Schritt ist, ist in Großbritannien äußerst umstritten. „Die Pandemie ist noch nicht vorbei, aber dank der unglaublichen Impfkampagne sind wir der Rückkehr zur Normalität einen Schritt näher und geben den Menschen endlich ihre Freiheit zurück“, sagte Premier Boris Johnson, dessen Regierung für Gesundheitspolitik im größten Landesteil Großbritanniens, in England, zuständig ist. „Heute ist ein stolzer Moment nach einer der schwierigsten Zeiten in der Geschichte unseres Landes“, fügte er noch an. Am späten Montag wollte er seinen Plan zum „Leben mit Covid“ in England präsentieren, der das Ende der Quarantäne-Pflicht und der meisten Gratistests vorsieht. Maskenpflicht und andere Regeln waren schon im Jänner gefallen.
Milder Verlauf bei Queen
Johnson wollte laut Medien betonen, dass England eines der ersten Länder ohne Covid-Restriktionen sein werde. Sein Kabinett sollte die neuen Schritte am Montagmorgen absegnen, musste seine Sitzung aber wegen letzter offener Finanzfragen um einige Stunden verschieben.
Die Isolationspflicht für Corona-Infizierte jedenfalls soll laut BBC in den kommenden Tagen fallen; Quarantäne ist dann lediglich empfohlen. Kostenlose Tests sollen demnächst auf besonders Gefährdete beschränkt werden. Johnsons Hauptwaffe bleiben Impfungen und Medikamente.
Eine konservative Abgeordnete nannte das Timing der Änderungen „etwas knifflig“, weil das Königshaus am Sonntag gemeldet hatte, dass Queen Elizabeth II. positiv auf Covid getestet worden war. Wirtschaftsstaatssekretär Paul Scully hingegen beschrieb die 95-jährige Monarchin, die weiter „leichte Arbeit“ mache, als Aushängeschild für den Wechsel von Vorschriften zu Empfehlungen und Eigenverantwortung. „Sie arbeitet von zu Hause aus“, sagte er, „es ist wichtig, dass wir nicht länger als nötig unter dem Diktat der Regierung leben“.
Inzidenz bei 508
Die britischen Neuinfektions-, Spitals- und Todeszahlen gehen seit Wochen zurück. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 508. Schottland, Wales und Nordirland entscheiden ihre, oft vorsichtigere, Covid-Politik selbst.
Experten und Opposition kritisierten das Ende der staatlichen Regeln in England als voreilig und nicht auf wissenschaftlicher Bewertung basierend. Die Labour Partei warf dem Premier vor, seine Abgeordneten zufriedenstellen und von der „Partygate“-Affäre um Feiern am Regierungssitz während des Lockdowns ablenken zu wollen. Die verschobene Kabinettssitzung wertete sie als Zeichen von „Chaos“: Johnson „verkündet den Sieg, bevor der Krieg beendet ist“, kritisierte sie. Auch eine Gruppe von Wissenschaftern warnte, das könnte zur „Rückkehr zu einem rapiden epidemischen Wachstum“ führen. Der Covid-Beauftragte der WHO nannte den englischen Kurs „sehr unklug“. G. Szalai, London