Drohungen und Strafzölle: Europas Kampfansage an die US-Giganten
Europa bereitet die Friedenspfeife für US-Präsident Trump vor – und lädt gleichzeitig seine Waffen nach: Nahezu parallel zur Nachricht, dass die EU-Kommission nun mit Washington Verhandlungen über einen Handelsdeal aufnehmen wird, sendet Brüssel die Botschaft über den Atlantik: Schon morgen, Mittwoch, könnte die Kommission in Brüssel eine Strafliste auf den Tisch legen, die es in sich hat.
Von Sonderzöllen in der Höhe von elf bis sogar 20 Milliarden Euro ist die Rede. Zu berappen künftig auf amerikanische Importe von Hubschraubern bis Handtaschen, von Casinotischen bis Sportgeräten, von Ketchup bis Spiele-Konsolen, von Tabak bis gefrorenem Hummer.
„Radikalere Wege“
Passend dazu verschärft Margrethe Vestager, Wettbewerbskommissarin der Europäischen Union, die Gangart gegenüber den amerikanischen Internetgiganten Google, Facebook und Co. So plant Vestager neue Wettbewerbsregeln, die einen dauerhaften Missbrauch von Marktmacht verhindern sollen. Das berichtet die FAZ in ihrer heutigen Ausgabe.
Die EU müsse über „radikalere Wege“ nachdenken, „um zementierte Märkte aufzubrechen und Wettbewerb zu ermöglichen“, so Vestager. Konkret schlägt sie zwei Maßnahmen vor: Den Plattformbetreibern soll untersagt werden, eigene Produkte auf ihrer Plattform anzubieten. Und die Plattformbetreiber müssten Dritten Zugang zu ihren Daten gewähren. Vestager: „Wir brauchen Zugang zu Daten, um neue Produkte zu ermöglichen.“ Es gehe also nicht nur um das laufende Geschäft, sondern auch darum, europäischen Unternehmen das Schaffen von Innovationen zu ermöglichen.
Zerschlagung
Was würde das etwa für Google in der Praxis bedeuten? Nun: Google dürfte nur noch das Suchmaschinengeschäft betreiben. Produkte wie Reiseportale oder Preisvergleichsdienste wie Google Shopping wären dann tabu, schreibt die FAZ. De facto käme das einer Zerschlagung gleich. Vestager will gegen Jahresende jedenfalls konkrete Vorschläge vorlegen.
Airbus gegen Boeing
Gemeinsam mit Vestagers Überlegungen sind die angedrohten Straflisten schwer verdaubare Vorgaben für die USA. Die Strafliste ist übrigens die Folge eines schon fast 15 Jahre alten Streits über Subventionen für Airbus und Boeing, bei dem nun auch die EU auf hart schaltet.
Den Anfang im aktuellen Zollstreit machten in der Vorwoche freilich die USA, die sich gegen vermeintliche europäische Subventionen für Airbus wehren. Der amerikanische Handelsbeauftragte Robert Lighthizer veröffentlichte eine Liste mit europäischen Gütern im Wert von umgerechnet knapp zehn Milliarden Euro.
Von Käse bis Orangen
Darauf befinden sich neben Produkten und Komponenten für die Luftfahrtindustrie auch zahlreiche andere Waren wie etwa etliche Käsesorten, Olivenöl, Orangen oder Meeresfrüchte. Diese Zölle sollen erst aufgehoben werden, wenn die EU die Subventionen beende, sagte Lighthizer.
Allerdings: Auch Boeing hat seine als illegal eingestuften Beihilfen noch immer nicht beseitigt. Das bestätigte vor wenigen Wochen die Welthandelsorganisation (WTO). Weshalb sich die EU im Recht sieht, ihrerseits die USA mit Zöllen zu belegen. Wie hoch diese Strafen tatsächlich ausfallen werden, legt aber letztlich die WTO fest. Und deren Entscheidung wird nicht vor Jahresende, vielleicht sogar auch erst nächstes Jahr fallen.
Handelsdeal
Bei so viel europäischem Muskelspiel ging das Angebot, die schwer leidenden Handelsbeziehungen zwischen EU und USA zu entkrampfen, fast unter. Gestern gab der EU-Ministerrat in Luxemburg den Startbefehl: Ab sofort soll mit Washington über einen Handelsdeal verhandelt werden.
Und das soll schnell gehen. Am besten noch vor dem 31. Oktober soll ein Deal auf dem Tisch liegen, stellte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström in Aussicht. „Die Gespräche können sofort starten“, versicherte sie. Sie werde umgehend Kontakt mit der US-Regierung aufnehmen, um erste Treffen zu vereinbaren. „Wir sind bereit, sobald sie es sind.“
Das Ziel: Auf dem Industriesektor gegenseitig die Zölle abzubauen – und so Trumps Zorn zu besänftigen. Der US-Präsident wird nicht müde, seinen Ärger über das enorme Handelsdefizit der USA gegenüber Europa via Twitter in die Welt hinauszuposaunen: Im Vorjahr waren es rund 140 Milliarden Euro. Das Minus war sogar noch um 17 Prozent gewachsen, und das obwohl die US-Administration seit vergangenem Sommer europäische Stahl- und Aluminiumimporte mit Strafzöllen belegt.
Der frische Wind für die schleifenden europäisch-amerikanischen Handelsbeziehungen erleichtert Österreichs Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck: „Die USA sind unser zweitwichtigster Exportmarkt und wir haben großes Interesse an einer guten Wirtschaftsentwicklung, weil dadurch Arbeitsplätze sowie Wohlstand in Österreich gesichert werden“, sagte die Ministerin, die gerade mit einer Wirtschaftsdelegation in den USA unterwegs ist.
Österreichische Firmen haben im Jahr 2018 Waren im Wert von mehr als zehn Milliarden Euro in die USA exportiert.