Verschwörungstheoretiker Robert F. Kennedy Jr. wird US-Gesundheitsminister
Von Dirk Hautkapp
Donald Trump bleibt sich nach Verteidigung, Justiz und Geheimdienst-Koordination auch bei der Besetzung der finanziell größten Einheit seines künftigen Regierungsapparats treu und setzt auf einen hoch umstrittenen Außenseiter.
Robert F. Kennedy Jr., Neffe des legendären Präsidenten John F. Kennedy, soll die Spitzenfunktion im Gesundheitsministerium (HHS) übernehmen.
Der 70-Jährige, der als parteiunabhängiger Rivale gegen Trump um die Präsidentschaft kämpfte, später mangels Aussichtslosigkeit in sein Lager überlief, bekäme im Falle seiner Bestätigung durch den Senat enorme Macht.
Ministerium umfasst größtes Budget im Haushalt
Die Arzneimittel-Zulassungsstelle "Food and Drug Administration" (FDA), die Seuchenschutzbehörde "Centers for Disease Control and Prevention" (CDC), das Landwirtschaftsministerium (USDA) und die riesigen Medicare- und Medicaid-Programme, die Armen, Menschen über 65 und Behinderten staatlichen Krankenversicherungsschutz bieten – sie alle fielen dann in seine Zuständigkeit. Jahres-Budget des HHS: über drei Billionen Dollar, fast ein Viertel des gesamten US-Haushalts.
Der designierte 47. US-Präsident erklärte dazu: "Viel zu lange wurden die Amerikaner vom industriellen Lebensmittelkomplex und den Arzneimittelherstellern erdrückt, die Täuschung, Fehlinformation und Desinformation betrieben haben, wenn es um die öffentliche Gesundheit ging."
Kennedy, so Donald Trump, werde dafür sorgen, dass "alle Menschen vor schädlichen Chemikalien, Schadstoffen, Pestiziden, pharmazeutischen Produkten und Lebensmittelzusätzen geschützt werden, die zu der überwältigenden Gesundheitskrise in diesem Land beigetragen haben", kurzum: Er werde "Amerika wieder gesund machen".
Mediziner und Demokraten warnen
Dagegen stellt Lawrence Gostin, Professor für globales Gesundheitsrecht an der Georgetown University in Washington, fest: "Trump wird die öffentliche Gesundheit ruinieren, Misstrauen säen und falschen Gesundheitsinformationen zu großer Verbreitung verhelfen."
Ähnlich äußert sich Ashwin Vasan, Ex-Gesundheitsamts-Chef von New York City: "Ich denke, dass dies wirklich verheerende Folgen für die Gesundheit der Amerikaner haben könnte. Kennedy hat keine Erfahrung. Er hat kein Fachwissen. Er ist für diese Aufgabe völlig unqualifiziert."
Die demokratische Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Patty Murray, wirbt bereits dafür, RFK Jr. im Senat die Zustimmung zu verweigern: "Es ist nicht abzusehen, wie weit ein Randgruppen-Verschwörungstheoretiker wie RFK Jr. Amerika in Bezug auf die öffentliche Gesundheit, reproduktive Rechte, Forschung und Innovation und vieles andere zurückwerfen könnte."
Doktor Michael Osterholm, renommierter Experte für Infektionskrankheiten an der Universität von Minnesota: "Wir haben seit vielen Jahren festgestellt, dass Herr Kennedy sich bei seinen Äußerungen zu Gesundheitsfragen nicht an gute wissenschaftliche Erkenntnisse hält. Impfungen sind nach wie vor die wichtigste Gesundheitsmaßnahme, die dafür sorgt, dass Babys nicht nur ihren ersten Geburtstag erleben, sondern auch bis ins Erwachsenenalter gesund bleiben."
Osterholm spielt damit auf das hervorstechendste Merkmal des "schwarzen Schafs" der Kennedy-Dynastie an: seine Impf-Gegnerschaft.
Impfgegner und Wurm, der Gehirn wegfrisst
Der frühere Umwelt-Anwalt, dem nach eigenen Angaben ein parasitärer Wurm Teile des Gehirns weggefressen haben könnte, behauptet, in Impfstoffen sei Quecksilber enthalten. Was bei Kindern Autismus auslöse. Kindern Impfungen zu verabreichen, stellt für ihn "kriminelles medizinisches Fehlverhalten" dar. Die Corona-Impfungen waren für ihn die "tödlichsten Impfungen, die jemals erschaffen wurden". Schutzmaßnahmen (Schul-Schließungen, Maskenzwang etc.) verglich er mit Repressalien in Nazi-Deutschland.
Kennedy machte zuletzt mit kleinteiligen Forderungen von sich reden. So soll der Fastfood-Riese McDonald's Pommes nicht mehr in Pflanzenöl frittieren. Aus dem öffentlichen Trinkwasser will er Fluorid-Zusätze verbannen. Obwohl Zahnärzte davon massiv abraten.
Der Widerstand in der Wissen- wie Ärzteschaft gegen Kennedy ist enorm. So warnte Zach Weinberg, Chef des auf Biotech-Unternehmen spezialisierten Kapitalgebers Curie: "RFK ist beängstigend und unqualifiziert, irgendetwas anderes zu leiten als einen Gang zum Supermarkt."
Jerome Adams, in der ersten Amtszeit Trumps "Surgeon General" Chef-Doktor der Nation, befürchtet, dass durch RFK "die Bereitschaft der Menschen weiter untergraben wird, sich über empfohlene Impfstoffe auf dem Laufenden zu halten."
Kennedy ist populär geworden durch seine Breitband-Kritik an der Pharma-Industrie. "Es gibt für einen Großteil des Gesundheitssystems nichts Profitableres als ein krankes Kind", lautet einer seiner Standardsätze. Oder: "Je kränker die Amerikaner werden, desto reicher wird Big Pharma."
"Amerika wieder gesund machen"
Dem will Kennedy unter dem Slogan "Make America healthy again" (Amerika wieder gesund machen) mit einer Rosskur begegnen. Tausende Mitarbeiter im Apparat sollen entlassen werden.
Die Hälfte des Haushalts des "National Institute of Health" (NIH), das weltweit für den Goldstandard bei der biomedizinischen Forschung steht, soll künftig für "präventive, alternative und ganzheitliche Ansätze im Gesundheitsbereich" ausgegeben werden. Das wären über 20 Milliarden Dollar.
Kennedy behauptet, dass die US-Gesundheitsbehörden systematisch "Rohmilch, Vitamine, saubere Lebensmittel, Sonnenschein und Bewegung" unterdrückten. Weil all das von Konzernen wie Pfizer oder Johnson & Johnson nicht patentiert, sprich: zu Geld gemacht werden könne.
Kennedy macht sich bei seinem Vorgehen reale Probleme zunutze, die im Weltmaßstab auffallen. Nirgends in den reichen Industrie-Nationen ist die Fettleibigkeit so verbreitet wie in Amerika. Die Behandlung von Diabetes und anderen chronischen Krankheiten kostet aber im Vergleich zu Europa Unsummen. Dazu kommen regelmäßig auftretende Lebensmittel-Skandale und schwere Pannen beim Trinkwasser.
Kennedys Forderung nach gedeckelten Arzneimittelpreisen und einer Einschränkung der inflationären Bewerbung von Medikamenten im Fernsehen ist parteiübergreifend beliebt.
Überstünde Kennedy den Anhörungs-Marathon (die Republikaner können nicht mehr als drei Abweichler vertragen) könnten dies die Konsequenzen sein: größere Zurückhaltung bei Impfungen, mehr Infektionskrankheiten und weniger Vertrauen in das öffentliche Gesundheitswesen.