Politik/Ausland

Die Direktorin für den EU-Verkehr kommt immer mit dem Rad

Sie sind die Nomaden des 21. Jahrhunderts – die Fernfahrer auf Europas Straßen, die oft fünf, sechs Wochen oder noch länger nicht nach Hause zurückkönnen. Doch damit ist bald Schluss. Denn Anfang Dezember haben sich die EU-Transportminister nach extrem spannungsgeladenen Verhandlungen auf bessere Sozialstandards für die drei Millionen LKW-Fahrer in der EU geeinigt. 

Alle Inhalte anzeigen

Maximal vier Wochen darf ein Fernfahrer künftig unterwegs sein – was auch Elisabeth Werner mit großer Erleichterung sieht. Die 47-jährige gebürtige Wienerin ist eine der Architektinnen  für die besseren Arbeitsbedingungen der Trucker.

Entscheiden kann die Direktorin der Generaldirektion Verkehr (DG Move)  der EU-Kommission nichts. Das liegt in den Händen der europäischen Fachminister (Rat) und des EU-Parlaments. Doch Werner und die Kommission legten die Vorschläge auf den Tisch, gaben die Ziele vor und verhandelten bis zum letzten Beistrich mit.

„Es ist eines der allergrößten Dossiers, an dem ich zuletzt gearbeitet habe“, erzählt die Ökonomin,  „und es war ein politisch schwieriges. Es hat die Länder gespalten.“ Da war er wieder, der Streit zwischen Ost- und Westeuropa, aber auch zwischen Metropolen und europäischen Randgebieten.

Elisabeth Werner lächelt, wie sie es oft tut, und angesichts ihrer freundlich-offenen Schilderungen fällt es fast schwer, das harte Ringen um eine Einigung für die Lkw-Fahrer nachzuvollziehen.

Alle Inhalte anzeigen

Unter den österreichischen Kommissionsbeamten gilt die zweifache Mutter als eine der großen Hoffnungen, wieder einmal einen Generaldirektorsposten zu holen. Derzeit füllt kein Österreicher diese mächtige Position aus, es gibt allerdings zwei Stellvertreter und knapp zehn Direktoren.

„Generaldirektorin?“ Da muss Werner lachen und sie schüttelt ihren dichten Lockenkopf. „Das ist nichts, was man anstreben kann. Vielmehr müssen da alle Sterne in der richtigen Konstellation dafür stehen“ , weiß die lang gediente Kommissionsbeamtin. 

Ihr ist nur wichtig: „Spannend soll mein Aufgabengebiet sein.“ Aber nach mehr als 20 Jahren Arbeit in der EU-Kommission, die sie sofort nach ihrem Masterstudium in Brügge begonnen hat, weiß Elisabeth Werner auch: „Wenn man sich in die Materie einarbeitet und sie von außen noch so abschreckend wirken mag, ist sie immer interessant.“

Ihre beiden Materien, das sind vor allem europäische Haushaltspolitik und der Verkehrssektor. „Am Verkehrsbereich mag ich vor allem, dass er so konkret ist“, erzählt sie. „Und ich muss meinen Freunden nicht stundenlang erklären, warum es Sinn macht, Regeln auf europäischer Ebene zu haben.“ 

Punkto Verkehrssicherheit etwa. Eine Vision der EU-Kommission ist es, die Zahl der Verkehrstoten in Europa auf Null zu bringen. Davon freilich ist man angesichts von 25.300 Toten im Straßenverkehr (2017) noch weit entfernt. Doch es sind immerhin 6.200 Tote weniger als noch im Jahr 2010, und die Tendenz sinkt dank europaweiter durchgesetzter Sicherheitsvorschriften weiter.

Eine „große Chance“, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, sieht die Direktorin, auch bei den selbstfahrenden Autos, „weil bei 90 Prozent der Unfälle der menschliche Faktor eine Rolle spielt“.

Sie selbst, sagt sie wieder lächelnd, fahre ja am liebsten mit dem Fahrrad. Und das ist von ihrer Wohnung nahe des Brüsseler Stadtzentrums aus zu den Bürogebäuden des EU-Viertels auch machbar, „wenn auch nicht ganz ungefährlich“, gibt sie zu. 

 

Die Sicherheit im Straßensystem, meint Werner, „da muss alles zusammenpassen: Von der Infrastruktur, den Leitplanken, den Straßenschildern, den Verkehrsregeln. Man muss gleichzeitig an allen Schrauben drehen.“ Und so werde es wohl, „obwohl das System technisch schon ausgereift ist, noch eine Zeit dauern, bis selbst fahrende PKWs  auf den Straßen fahren. Aber bei Shuttle-Bussen kann es schneller gehen. Und besonders beim Platooning für LKWs“, schildert die Direktorin. 

Zuweilen sucht  sie nach den richtigen Worten auf Deutsch. Ihre Arbeitssprache ist überwiegend englisch, auch wenn sie bei ihren vielen Dienstreisen auch in deutschsprachige Städte ihren  Verhandlungspartnern ihre Arbeitsvorgänge – stets druckreif – in ihrer Muttersprache schildert. „Also beim Platooning“, setzt sie noch einmal an, „sitzt nur im ersten LKW vorne ein Fahrer und die anderen hinten halten einen automatischen Abstand ein. Das wird derzeit noch getestet, aber es wird relativ bald kommen, auf Autobahnen, wo man lange, gerade Strecken hat.“

Alle Inhalte anzeigen

Zuständig ist Elisabeth Werner für den gesamten Verkehr auf Land – also auf Straße und Schiene. Wobei ihr Ehrgeiz besonders gilt: „Ich möchte den Schienengüter-Verkehr attraktiver machen.“  Das sei auch eine Möglichkeit, die Dekarbonisierung in Europa voranzutreiben, meint die Volkswirtin.

„Man kann an alternativen Kraftstoffen arbeiten. Aber der elektrische Lkw, der wird nicht morgen kommen. Doch die Schienentrassen, und viele ungenützte Kapazitäten, die haben wir.“  Mehr als zwei Drittel des innereuropäischen Gütertransports finden auf der Straße statt, nur rund 17,5 Prozent auf der Schiene und der Rest auf Meer und Flüssen. 

Viel Arbeit wartet also auf die Mutter einer achtjährigen Tochter und eines zehnjährigen Sohnes. Die Stunden jenseits der 40-Stunden-Woche in ihrem Büro zähle sie gar nicht mehr, lächelt Elisabeth Werner wieder, „zum Glück bin ich flexibel und kann daheim am Abend wieder den Computer aufdrehen und weiter arbeiten.“ Ohne ein Kindermädchen, sagt sie aber auch, würde das alles nicht funktionieren.

Nur am Wochenende macht sie keinen Konzessionen mehr, da gilt alle Zeit der Familie – und gelegentlichen Ausflügen an die belgische Küste.

Weitere Porträts der Serie: kurier.at/themen/oesterreicher-in-bruessel