Bürgermeister Klaus Wowereit geht
Arm, aber sexy", ist das geflügelte Wort, das Klaus Wowereit in seiner besten Zeit über das seit der deutschen Wiedervereinigung wieder hippe, aber weiterhin vielfach gebrochene Berlin prägte. Obwohl nie so zutreffend wie er es behauptete, wird der beste Propaganda-Spruch seit Tony Blairs "Cool Britannia" wohl sein wichtigstes Vermächtnis bleiben.
Wowereit ist der aktuell längstdienende Landeschef der Republik und einer der am längsten amtierenden Bürgermeister ihrer Hauptstadt, der hier den Titel "Regierender" trägt. Bald 61 Jahre alt, will er nun nicht mehr: Am Dienstag erklärte er den Rücktritt im Dezember.
Seine wichtigste Begründung: Es habe zuletzt immer mehr Spekulationen um den Rücktritt gegeben, vor allem auch in seiner SPD, und die schadeten ihr mehr als sie nützten. Zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl mache er den Weg frei für einen damit chancenreicheren Nachfolger. Denn er wolle nach 13 Jahren im Amt nicht mehr kandidieren.
Bei der vergangenen Berliner Wahl 2011 konnte Wowereit nur mit Mühe eine noch klarere Niederlage vermeiden. Weil die Probleme der Dreieinhalb-Millionen-Stadt so groß und oft selbst verschuldet sind, entschied er sich danach für eine Große Koalition mit der CDU. Diese ist seit der Abwahl ihres Vorgängers Eberhard Diepgen eine hoffnungslose Minderheit in dieser linkesten und anti-bürgerlichsten deutschen Großstadt. Zuvor hatte Wowereit – ohne echte politische Not – zwei Perioden lang mit den Kommunisten der "Linken" regiert.
Medientalent
Spätestens, als er im ersten Wahlkampf als Bürgermeisterkandidat dem Outing der Presse zuvorkam und auf dem SPD-Wahlparteitag den ebenfalls inzwischen geflügelten Spruch tat: "Ich bin schwul, und das ist auch gut so!" Damit war er der erste homosexuelle Spitzenpolitiker in der deutschen Politik. Alle anderen brauchten für ihr Outing viel länger und keinem gelang es so lässig und scheinbar provokativ.
Mit dieser Demonstration mutiger Modernität beanspruchten Wowereit und seine SPD plötzlich, für die modische Popularität Berlins bei jungen Deutschen und mit seiner Partykultur bald auch der europäischen Jugend zu stehen. Wowereit befeuerte dieses Image ganz bewusst mit kessen Sprüchen und genial inszenierten Gesellschaftsauftritten. Die Presse ernannte ihn willig zum "Regierenden Partymeister" von Berlin, er badete darin wie im oft strömenden Sekt.
Politisch lief es lange ebenfalls gut: Sein strohtrockener Sparmeister Thilo Sarrazin als Finanzsenator stoppte zumindest die weitere Schulden-Explosion der in West- und Ostteil seit fünf Jahrzehnten an leistungsloses Einkommen und Subventionen gewöhnten Stadt. Sie wurde sichtbar moderner.
Verwahrlosung
Wowereit lebt mit seinem Lebensgefährten in einem Penthouse am feinen Kurfürstendamm. Das Tagesgeschäft der ihre Problem nur zukleisternden Stadt schien ihm oft viel zu mühsam. Am meisten beim BER, der zum nationalen Beispiel der in Deutschland legendären Berliner Misswirtschaft wurde. Viel Arbeit für den Nachfolger, der wohl vom linken SPD-Flügel kommt.