Bürgermeister Klaus Wowereit geht

Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit
Eine der schillerndsten, aber auch umstrittensten Figuren verlässt die deutsche Politik.

Arm, aber sexy", ist das geflügelte Wort, das Klaus Wowereit in seiner besten Zeit über das seit der deutschen Wiedervereinigung wieder hippe, aber weiterhin vielfach gebrochene Berlin prägte. Obwohl nie so zutreffend wie er es behauptete, wird der beste Propaganda-Spruch seit Tony Blairs "Cool Britannia" wohl sein wichtigstes Vermächtnis bleiben.

Wowereit ist der aktuell längstdienende Landeschef der Republik und einer der am längsten amtierenden Bürgermeister ihrer Hauptstadt, der hier den Titel "Regierender" trägt. Bald 61 Jahre alt, will er nun nicht mehr: Am Dienstag erklärte er den Rücktritt im Dezember.

Seine wichtigste Begründung: Es habe zuletzt immer mehr Spekulationen um den Rücktritt gegeben, vor allem auch in seiner SPD, und die schadeten ihr mehr als sie nützten. Zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl mache er den Weg frei für einen damit chancenreicheren Nachfolger. Denn er wolle nach 13 Jahren im Amt nicht mehr kandidieren.

Bürgermeister Klaus Wowereit geht
epa02541327 Berlin Lord Mayor Klaus Wowereit (C) cheers at the opening of International Green Week in Berlin, Germany, 21 January 2011. The world's biggest fair for food, agriculture and horticulture takes place from 21 to 30 January. EPA/ROBERT SCHLESINGER
Das hatte er schon seit Längerem Partei und Bürger fühlen lassen, spätestens seit er 2013 auf den SPD-Parteichef-Vize verzichtete. Denn der immer noch eigentlich unfassbare Skandal um den neuen, einfach nicht fertig werden wollenden, gigantisch teuren Hauptstadtflughafen BER zermürbte ihn und sein einst im doppelten Wortsinn blendendes Image: Wowereit ist für den Flughafen nicht nur politisch, sondern als dessen langjähriger Aufsichtsratschef auch formal hauptverantwortlich. Er galt deshalb als ablösereif, nur der SPD-interne Kampf um seine offene Nachfolge hielt ihn.

Bei der vergangenen Berliner Wahl 2011 konnte Wowereit nur mit Mühe eine noch klarere Niederlage vermeiden. Weil die Probleme der Dreieinhalb-Millionen-Stadt so groß und oft selbst verschuldet sind, entschied er sich danach für eine Große Koalition mit der CDU. Diese ist seit der Abwahl ihres Vorgängers Eberhard Diepgen eine hoffnungslose Minderheit in dieser linkesten und anti-bürgerlichsten deutschen Großstadt. Zuvor hatte Wowereit – ohne echte politische Not – zwei Perioden lang mit den Kommunisten der "Linken" regiert.

Medientalent

Damals war seine Karriere glänzend wie kaum eine andere: Der zielstrebige Lokalpolitiker aus kleinsten Verhältnissen hatte die in der Diepgen-Zeit verschlafene SPD modernisiert mit einer Chuzpe, zu der sonst nur seine politischer Antipode in der SPD, Gerhard Schröder, fähig war. Der ebenso pragmatische Wowereit war bis vor Kurzem eines der SPD-Medientalente.

Spätestens, als er im ersten Wahlkampf als Bürgermeisterkandidat dem Outing der Presse zuvorkam und auf dem SPD-Wahlparteitag den ebenfalls inzwischen geflügelten Spruch tat: "Ich bin schwul, und das ist auch gut so!" Damit war er der erste homosexuelle Spitzenpolitiker in der deutschen Politik. Alle anderen brauchten für ihr Outing viel länger und keinem gelang es so lässig und scheinbar provokativ.

Mit dieser Demonstration mutiger Modernität beanspruchten Wowereit und seine SPD plötzlich, für die modische Popularität Berlins bei jungen Deutschen und mit seiner Partykultur bald auch der europäischen Jugend zu stehen. Wowereit befeuerte dieses Image ganz bewusst mit kessen Sprüchen und genial inszenierten Gesellschaftsauftritten. Die Presse ernannte ihn willig zum "Regierenden Partymeister" von Berlin, er badete darin wie im oft strömenden Sekt.

Politisch lief es lange ebenfalls gut: Sein strohtrockener Sparmeister Thilo Sarrazin als Finanzsenator stoppte zumindest die weitere Schulden-Explosion der in West- und Ostteil seit fünf Jahrzehnten an leistungsloses Einkommen und Subventionen gewöhnten Stadt. Sie wurde sichtbar moderner.

Verwahrlosung

Bürgermeister Klaus Wowereit geht
PICTURES OF THE YEAR 2006 - GERMANYBerlin's Mayor Klaus Wowereit of the Social Democratic party (SPD) hugs his partner Joern Kubicki after first exit poll results of the state election in Berlin September 17, 2006. The SPD under popular Mayor Wowereit remained the largest party at 31.4 percent, after first exit polls on Sunday. REUTERS/Tobias Schwarz (GERMANY)
Allerdings ignorierte Wowereit bald auch wichtige Probleme: Die Dominanz krimineller arabischer Großfamilien in den Einwanderer-Gettos kümmerte ihn wenig – sehr zur Verzweiflung seiner SPD-Stadtteil-Bürgermeister. Auch über die Verwahrlosung der alten bürgerlichen Viertel im Westen der Stadt sah er hinweg.

Wowereit lebt mit seinem Lebensgefährten in einem Penthouse am feinen Kurfürstendamm. Das Tagesgeschäft der ihre Problem nur zukleisternden Stadt schien ihm oft viel zu mühsam. Am meisten beim BER, der zum nationalen Beispiel der in Deutschland legendären Berliner Misswirtschaft wurde. Viel Arbeit für den Nachfolger, der wohl vom linken SPD-Flügel kommt.

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