Politik/Ausland

Das Land, in dem das Coronavirus ignoriert wird

Ganz Europa steht wegen des Coronavirus still. Ganz Europa? Nein, in Weißrussland nimmt der autokratische Präsident Alexander Lukaschenko die Gefahr für die Bevölkerung bisher nicht ernst.

Bis Anfang der Woche waren 81 Fälle der vom Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 bekannt. Tendenz steigend. Und doch sieht Lukaschenko, von westlichen Medien gerne als "letzter Diktator Europas" tituliert, keinen Grund für "drakonische Maßnahmen". Der 65-Jährige, der seit 1994 im Amt ist, gab die Devise aus, dass die Corona-Panik am Ende schlimmer sein könne als das Virus selbst.

Plötzlich schaut man anderswo weißrussischen Fußball

Und so rollt auch der Fußball anders als im Rest Europas in Belarus weiter. Wie geplant - und mit Zuschauern in den Stadien - haben die Fußballklubs des Landes zwischen Polen und Russland am 19. März ihren Spielbetrieb für die Meisterschaft wieder aufgenommen.

"Eine Oase in der toten Fußballwüste" - so nannten es Fußballkommentatoren im Fernsehen. Nebeneffekt: Im benachbarten Russland interessierten sich plötzlich Fußballfans für die sonst kaum beachtete Liga.

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Coronavirus wird als "Psychose" abgetan

"Ich nenne dieses Coronavirus nichts anderes als eine Psychose und lasse mich auch nicht davon abbringen", sagte Lukaschenko. "Die zivilisierte Welt ist verrückt geworden, und die Politiker haben schon damit angefangen, die Situation für ihre Interessen auszunutzen." Es sei eine "absolute Dummheit", etwa Grenzen zu schließen.

Berichte über isolierte Sportler der Eishockey-Nationalmannschaft wegen Verdachts auf das Virus dementierte das Sportministerium des autoritären 10-Millionen-Einwohner-Staates prompt.

Volle Restaurants

Kritik am Weitermachen der Fußball-Liga gibt es in Weißrussland trotzdem. "Die weißrussische Meisterschaft mit Zuschauern - das ist einfach Wahnwitz", sagte Sergej Alejnikow, Ex-Profi von Juventus Turin. Er wirft den Funktionären Leichtsinn vor.

"Es ist, als wenn sich niemand darum kümmert", kritisierte der weißrussische Fußballer Alexander Hleb in der britischen Boulevardzeitung Sun. "Jeder weiß, was in Spanien und Italien passiert. Das sieht nicht gut aus." In Weißrussland seien "die Straßen und Restaurants immer noch voll".

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Kirche auf Seite der Führung

Selbst die orthodoxe Kirche in Weißrussland nahm inzwischen die Ängste vor einem möglichen großflächigen Ausbruch der Lungenkrankheit ernst. Der Minsker Erzbischof Pawel erhob sich nach dem Sonntagsgebet im Hubschrauber über die Hauptstadt, um in der Hand Weihwasser zum Schutz vor dem Coronavirus zu verteilen.

Auf Linie der Staatsführung blieb der Erzbischof dennoch: "Die Panik, die durch die Ausbreitung des Coronavirus entsteht, benebelt den Verstand." Gott werde das Land vor der tödlichen Epidemie schützen.