Politik/Ausland

Seehofer: "Merkel nur wegen mir Kanzlerin"

"Crazy Horst", unberechenbar wie eine Sphinx - an Horst Seehofers Verhalten und Taktik haben sich schon viele Beobachter den Kopf zerbrochen. Auch nach der sonntäglichen Sitzung lässt er viele ratlos zurück. Nach Wochen des Streits um die Asylpolitik der GRoßen Koalition, ließ er Sonntagabend fast eine kleine Bombe hochgehen: Er drohte mit Rücktritt – zog dann aber wieder zurück. Er wolle noch ein letztes Gespräch mit der CDU bz. Kanzlerin Merkel abwarten. Doch bevor es Montagnachmittag so weit kam, ließ er via Süddeutsche Zeitung ausrichten: „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“ - damit legte er die Latte für ein versöhnendes Gespräch hoch.

Politische Beobachter sind sich einig: Der Schaden ist enorm – für Seehofer, die CSU, ja die gesamte Bundesregierung. War ein Kompromiss möglich? Ja. Hätte man den Streit dämpfen können? Ja. Was aber trieb ihn dann an? Ein Erklärungsversuch.

Dass der 68-Jährige heute in Berlin sitzt, war eigentlich eine ungewollte Rettungsmaßnahme. Nach der Niederlage der CSU im Herbst 2017 war er intern schwer angeschlagen, konnte eine Amtsübergabe an seinen Rivalen Markus Söder nicht mehr verhindern. Er trägt nun die Krone in Bayern. Seehofer ist zwar CSU-Chef und Minister, aber auch Erfüllungsgehilfe und soll mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst alles tun, damit die CSU einen harten Anstrich bekommt.

Sein „Masterplan Migration“, den er bis zuletzt unter Verschluss hielt, hätte das Meisterstück werden sollen. Er zeigte ihn der Kanzlerin, sie war bis auf einen Punkt mit allem einverstanden: Die Abweisung Asylsuchender an der deutschen Grenze lehnte sie ab. Merkel ortet dies als nationalen Alleingang, der in Europa Chaos stiften würde.

Ihr Nein hat bei ihm etwas in Erinnerung gerufen. Schon einmal gab er nach: Vor der Bundestagswahl begruben sie den Streit um die Flüchtlingspolitik. Was Seehofer aus seiner Sicht letztlich Punkte kostete und nach Berlin brachte. So viel zur persönlichen Not.

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Er setzte den Hebel in Gang

Es waren aber auch Mitstreiter wie Alexander Dobrindt, die das Potenzial dieses Punktes erkannten: Warum ihn nicht publik machen und die gesamte Politik Merkels in Frage stellen? Also unterstützten sie Seehofer und trommelten für ihn. Dieser drohte Merkel Mitte Juni mit einem Alleingang und setzte damit einen Hebel in Gang, den er nicht mehr aus der Stellung bewegen konnte: Es folgten Rede, Widerspruch, Anschuldigungen und Attacken. Was in der Bevölkerung nicht gut ankam, wie diverse Umfragen zeigten. Selbst wenn manchen Seehofers Forderung begrüßten, der Stil der CSU wirkte abschreckend.

Doch Seehofer gab weiter den harten Hund, ärgerte sich öffentlich über Merkel, die ankündigte ihrer Richtlinienkompetenz zu folgen – sprich ihn zu entlassen, sollte er über ihren Kopf hinweg entscheiden. Schließlich setzte er ihr ein Ultimatum. Sie habe 14 Tage Zeit, um eine europäische Lösung zu finden. Merkel nutzte die Steilvorlage für ihre Inszenierung: Sie ging in die Offensive, womit man in München vielleicht nicht gerechnet hatte. Merkel ist zwar dafür bekannt, Abstriche zu machen, doch nach mehr als 13 Jahren lässt sie sich nicht aus dem Amt verjagen. Sie ging auf große Mission. Ihr Vorteil: Jeder konnte es sehen.

Sie verhandelte mit EU-Regierungschefs und kam in Brüssel nach stundenlangen Debatten im Morgengrauen müde, aber lächelnd mit einem Versprechen heraus: Man habe sich auf ein gemeinsames Dokument zur Asylpolitik geeinigt. Zudem traf sie Vereinbarungen mit Ländern, wonach diese Asylsuchende zurücknehmen würden.

Und Seehofer? Er schwieg vorerst. Seinen Masterplan kannte bis dato keiner, was ihn als Maulhelden dastehen ließ. In der Sitzung am Sonntag soll er Merkels Ergebnisse zerpflückt haben, anschließend drohte er mit Rücktritt. Vielleicht ein letzter Versuch, Druck aufzubauen. Seine Entscheidung wolle er von der CDU abhängig machen, verkündete er noch in der Nacht auf Montag. Es klingt nach einem letzten Manöver, um doch noch anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben.

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